Wolken über Ebou
Gewand war an den Röcken und Ärmeln gelb geschlitzt, und das Muster hatte sie selbst ausgesucht. Jedes Kleidungsstück, das sie besaß, war entweder aus Seide oder bestickt oder beides und mit der auserlesenen Sorgfalt zugeschnitten, die Aviendha zu erkennen gelernt hatte.
Endlich einmal schien Nynaeve zu begreifen, daß es nicht nach ihrem Kopf gehen würde. Sie bekam manchmal beachtenswerte Wutanfälle, bevor es geschah, ohne daß sie hinterher zugeben würde, daß es Wutanfälle gewesen waren. Der finstere Gesichtsausdruck wurde zu einem verdrießlichen Schmollen. »Wer wird ihn fragen? Wer auch immer es tut - er wird sie betteln lassen. Ihr wißt, daß er es tun wird!«
Elayne zögerte und sagte dann entschlossen: »Birgitte wird diejenige sein. Und sie wird nicht betteln -sie wird es ihm sagen. Die meisten Menschen tun, was man sagt, wenn man in festem, zuversichtlichen Tonfall spricht.« Nynaeve wirkte skeptisch, und Birgitte richtete sich jäh auf ihrer Bank auf - es war das erste Mal, daß Aviendha sie bestürzt erlebte. Bei jedem anderen hätte Aviendha zudem behauptet, sie wirke auch ein wenig ängstlich. Für eine Feuchtländerin wäre Birgitte eine gute Far Dareis Mai gewesen. Sie konnte bemerkenswert gut mit dem Bogen umgehen.
»Ihr seid einstimmig gewählt, Birgitte«, fuhr Elayne schnell fort. »Nynaeve und ich sind Aes Sedai, und Aviendha wird es vielleicht ebenfalls. Wir können es unmöglich tun. Nicht, ohne unsere Würde zu verlieren. Nicht bei ihm. Ihr wißt, wie er ist.« Was war aus dem ganzen Gerede über eine feste, zuversichtliche Stimme geworden? Nicht, daß Aviendha jemals bemerkt hätte, daß es bei jemand anderem als Sorilea gewirkt hätte. Es hatte bisher auch sicherlich nicht bei Mat Cauthon gewirkt, soweit sie es miterlebt hatte. »Birgitte, er kann Euch nicht wiedererkannt haben. Wenn dem so wäre, hätte er inzwischen etwas verlauten lassen.«
Was auch immer es bedeutete - Birgitte lehnte sich an die Wand zurück und verschränkte die Finger über dem Bauch. »Ich hätte wissen sollen, daß Ihr es mir heimzahlen würdet, seit ich gesagt habe, es wäre gut, daß Euer Hintern kein...« Sie hielt inne, und ein kleines, zufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen. An Elaynes Gesichtsausdruck änderte sich nichts, aber Birgitte glaubte eindeutig, ein gewisses Maß an Rache erreicht zu haben. Es mußte etwas gewesen sein, was durch den Behüter-Bund zu spüren war. Was jedoch Elaynes Hintern damit zu tun hatte, konnte Aviendha sich nicht denken. Feuchtländer waren so ... seltsam ... manchmal. Birgitte fuhr fort, während sie noch immer lächelte. »Was ich nicht verstehe, ist, warum er sich ärgert, sobald er Euch beide sieht. Es kann nicht daran liegen, daß Ihr ihn hier behindert habt. Egwene hatte genauso viel Anteil daran wie Ihr, aber ich habe bemerkt, daß er sie respektvoller behandelt, als die meisten Schwestern es tun. Außerdem hatte er sich jedesmal, wenn ich ihn aus der Wanderin kommen sah, anscheinend gut amüsiert.« Ihr Lächeln wurde zu einem Grinsen, das Elayne dazu veranlagte, mißbilligend die Nase zu rümpfen.
»Das ist eines der Dinge, die wir ändern müssen. Eine anständige Frau kann nicht denselben Raum mit ihm teilen. Oh, nehmt dieses Grinsen von Eurem Gesicht, Birgitte. Ich schwöre Euch, Ihr seid manchmal genauso schlimm wie er.«
»Der Mann wurde einfach als Prüfung geboren«, murrte Nynaeve verärgert.
Als plötzlich alles schwankte und dann sich rundum drehend zum Halt kam, wurde Aviendha eindringlich daran erinnert daß sie sich auf einem Schiff befanden. Die Frauen erhoben sich, glätteten ihre Gewänder und nahmen die leichten Umhänge auf, die sie mitgenommen hatten. Aviendha zog den ihren nicht an. Das Sonnenlicht war hier nicht so hell, daß sie die Kapuze zum Schutz ihrer Augen benötigt hätte. Birgitte legte ihren Umhang über eine Schulter, stieß die Tür auf und stieg die drei Stufen hinauf, nachdem Nynaeve mit einer vor den Mund gehaltenen Hand an ihr vorbeigerauscht war.
Elayne hielt inne, um ihren Umhang zu schließen und die Kapuze um ihr Gesicht zurechtzuziehen, wobei die rotgoldenen Locken überall herauslugten. »Ihr habt nicht viel gesagt, Nächstschwester.«
»Ich habe gesagt, was ich zu sagen hatte. Die Entscheidung mußtet Ihr treffen.«
»Aber der Schlüsselgedanke kam von Euch.
Manchmal denke ich, daß wir anderen allmählich verdummen.« Elayne wandte sich halb zu den Stufen um und hielt dann inne. »Die Weite des
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