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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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vorstellen: Jannek Kiebel, mein Cousin. Jann, das ist Falk Söderberg.“
    Ich stellte die beiden Gläser ab und reichte dem verdutzten Falk meine Hand. Er fing sich wieder und erhob sich, um mich zu begrüßen: „Freut mich, sehr angenehm, Jann!“ Na, das glaube ich dir erst einmal nicht.
    Er musterte mich, nicht feindselig, eher neugierig. Ich setzte mich auf den dritten Stuhl am Tisch, zwischen die beiden. Das Gespräch drehte sich erst einmal um harmlosere Dinge, so nach dem Motto ‚was machst du, was mache ich’. Wir erfuhren, dass Falk in Neuseeland noch immer auf der Farm arbeitete, viel mit Tieren und wenig mit Menschen zu tun hatte, und ihm das augenblicklich sehr gut gefiel.
    „Wie lange wirst du dort bleiben?“, fragte Christoph.
    Falk drehte sein Bierglas in den Händen. „Das weiß ich noch nicht, Christoph, vielleicht noch ein Jahr, vielleicht für immer. Aber ich glaube nicht, dass ich hierher zurückkommen kann, in mein altes Leben.“
    „Warum nicht? Du warst an der Uni beliebt, bist gut in der Materie gewesen, du warst einer der besten. Es wäre schade um deine Fähigkeiten als Dozent. Und um dich als Mensch.“ Christoph hielt sein Schlussplädoyer. „Als du plötzlich weg warst, haben dich viele vermisst. Ich habe dich vermisst.“
    Falk lächelte wehmütig. „Ich weiß, was du meinst. Was du sagst, und was du sagen willst. Aber ich habe die Brücken abgebrochen. Das Mauerwerk hatte Risse, und ich bin gegangen, bevor alles unter mir einstürzen konnte. Du bist der letzte Stein meiner Festung hier.“ Plötzlich streckte Falk die Hand aus und legte sie offen vor Christoph auf den Tisch.
    „Ich weiß, dass du dein Studium noch beenden willst, aber ich frage dich jetzt und hier: willst du mit mir kommen? Du müsstest deine Brücken auch abbrechen, dein Leben hier aufgeben. Aber ich bin sicher, wir könnten uns zusammen ein neues, anderes Leben aufbauen, und ich denke, ich schaffe das, wenn du bei mir bist.“
    Mein Herzschlag schien auszusetzen! Er stellte Christoph tatsächlich vor die Wahl zwischen dem Hier und Jetzt und einer ungewissen Zukunft! Ich wusste, wenn Christoph diese Hand jetzt nahm, war es für mich vorbei. Reglos saß ich da, wagte nicht einmal zu atmen.
    Auch Christoph saß wie versteinert. Er sah Falk nicht an, sondern ganz scharf an ihm vorbei aus dem Fenster. In seinem Inneren schienen sich die Möglichkeiten wie Filme abzuspielen. Vor Anstrengung waren seine Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst, seine Augen tief und dunkel wie ein zugefrorener See.
    Dann hob er die Hand. Streckte sie aus. Ließ sie ein paar Sekunden über Falks schweben.
    NEIN!!!
    Dann führte er sie weiter, auf mich zu. Er legte mir den Arm um die Schultern und zog mich zu sich heran.
    „Es geht nicht, Falk, ich kann nicht mehr. Und ich möchte auch nicht mehr. Ich bin mit Jann zusammen.“
    Mir fiel mehr als ein Stein vom Herzen.
    Christoph redete sich den ganzen Frust der letzten Jahre von der Seele: „Weißt du, das war alles zuviel für mich. Du warst zuviel für mich. Ich habe dich nie richtig verstanden, bin nie richtig an dich herangekommen. Das hat mich immer ziemlich fertig gemacht. Ich glaube nicht, dass sich das ändern würde, wenn wir in Neuseeland oder wo auch immer zusammenleben würden.
    Ich möchte hier nicht weg. Für ein halbes Jahr nach Kanada, ja, aber das reicht dann auch. Ich habe das Gefühl, hierher zu gehören, vielleicht zu Jann, das weiß ich noch nicht genau. Aber jedenfalls möchte ich nicht bis zum anderen Ende der Welt fliehen. Verstehst du das?“
    Falk antwortete nicht. Er rührte sich nicht. Nur sein Blick schien zu arbeiten, sich in Christophs Augen zu bohren, als wolle er sie zersprengen. Diamanten sind die härtesten Steine der Welt, aber nicht unzerstörbar. Sie können einfach verbrennen, und übrig bleibt dann nichts als graue Asche. Trotz der Ventilatoren an der Decke war es plötzlich drückend heiß in der Kneipe. Als würden wir verbrennen.
     Schließlich nickte Falk langsam. Er zog seine Hand zurück, und in Christophs Blick lag glücklicherweise kein Bedauern darüber. Dennoch hörte ich ihn leise fragen: „Bist du mir böse? Es wäre schade, wenn wir nicht als Freunde auseinander gehen könnten.“ Schweigen.
    Dann antwortete Falk: „Ich weiß noch nicht, was ich jetzt fühle. Wie ich damit umgehen soll. Ich hatte auf dich gehofft, aber natürlich habe ich keine Rechte an dir. Ich liebe dich, aber vielleicht ist meine Liebe für dich

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