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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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durchzuhalten.
    Ja, in diesem Moment glaubte ich das schon, denn ich liebte Tante Melanie, und ich liebte Christoph noch mehr. Entschlossen riss ich ein Stück Haushaltsrolle vom Halter ab und reichte es Tante Melanie mangels eines frischen Taschentuches.
    „Danke, mein Kleiner. Bist ein guter Junge“, schniefte sie, dann schnäuzte sie sich geräuschvoll. Es war, als wollte sie all ihren Kummer in dieses provisorische Taschentuch pusten. Hinterher lächelte sie mich tapfer an. „Wie weit bist du mit den Bohnen?“
     
    Zum Abendessen kam Christoph wieder herunter. Er sah blass aus, war schweigsam und schien nicht richtig bei der Sache zu sein. Tante Melanie übernahm freiwillig den Abwasch, und ich setzte mich mit ihm auf die Terrasse. Zum ersten Mal konnte er meinem Blick nicht standhalten. Ich dachte an unser Gespräch am See vor einigen Tagen. Dann sammelte ich all meinen Mut zusammen und fragte: „Es ist noch nicht vorbei, nicht wahr? Das mit Falk, meine ich.“
    Er schüttelte den Kopf: „Ich weiß nicht, ob ich hingehen soll. Ein Teil von mir möchte ihn unbedingt wiedersehen, mit ihm sprechen, wieder bei ihm sein. Aber ich weiß, dass es nie wieder so sein wird wie früher. Der andere Teil von mir hat Angst, Dinge ins Rollen zu bringen, die ich womöglich nicht mehr aufhalten, nicht mehr kontrollieren kann.“
    Der Gaukler in ihm, fuhr es mir durch den Kopf. Dann reichte ich ihm sinnbildlich die Hand: „Möchtest du, dass ich heute Abend mitkomme?“
    Mit einer Mischung aus bangem Zweifel und ungläubiger Hoffnung in den Augen sah er mich an. „Das würdest du für mich tun?“
    Ich nickte stumm. Dann fügte ich hinzu: „Ich muss doch mal den Lehrer meines Lehrers kennen lernen, meinst du nicht?“
    Christoph lächelte schwach: „Ich hatte nicht gewagt, dich darum zu bitten. Ich wollte dir das nicht zumuten. Aber ehrlich, ich bin froh, wenn ich nachher nicht allein sein muss.“
     
    Punkt acht Uhr betraten wir das ‚Blues’. Christoph sah sich nervös um, dann spürte ich, wie er sich anspannte. Neugierig folgten meine Augen seinem Blick.
    An der Bar saß ein einzelner Mann, der genau so aussah, wie Christoph mir Falk beschrieben hatte: hochgewachsen, schlank und sportlich, mit großen, kräftigen Händen, das braune Haar halb lang und von der Sonne gebleicht. Das Gesicht war braungebrannt und deutete tausend Lachfältchen um die blauen Augen an, die Nase war schmal und gerade, die Lippen ebenfalls. Das karierte Flanellhemd trug er offen, die Ärmel lässig hochgekrempelt, darunter ein schwarzes T-Shirt und eine verwaschene Bluejeans. Insgesamt sah er unglaublich attraktiv aus. Ich konnte gut verstehen, dass Christoph auf ihn abgefahren war.
    Jetzt hatte er uns ebenfalls entdeckt und winkte uns zu. Eigentlich nur zu Christoph, denn dass ich dazugehörte, konnte er ja noch nicht wissen. Dann nahm er sein Glas vom Tresen und ging zu einem der freien Tische in der hintersten Ecke. Christoph folgte ihm, während ich erst einmal auf die Bar zusteuerte und unsere Bestellung aufgab. Ich hatte das Gefühl, dass Christoph wenigstens ein paar Augenblicke mit Falk allein sein wollte.
    Während ich auf unsere Getränke wartete, lehnte ich mich lässig gegen den Tresen und schaute wie beiläufig zu den beiden hinüber. Doch was ich da sah, verschlug mir fast den Atem!
    Die beiden saßen sich am Tisch gegenüber und liebten sich! Liebten sich regelrecht mit den Augen! Sogen ihre Blicke auf und verschlangen sie ineinander, als wären es ihre Hände oder ihre Zungen oder ganz und gar ihre Körper. Sie berührten sich nicht, sie sagten kein Wort. Aber zwischen ihnen schien lautlos ein Feuerwerk zu explodieren! Fasziniert schaute ich ihnen eine Weile zu. Unglaublich, was dieser Mann konnte! Christoph hatte Recht, als er damals gesagt hatte, Falk wäre der beste Lehrer gewesen. Und nun verstand ich vollends, warum er ihn nicht vergessen konnte! Hatte ich da eine Chance?
    Plötzlich veränderte sich Christophs Gesichtsausdruck, wurde distanzierter, wehmütig, als würde er Abschied nehmen. Er zog sich regelrecht zurück, zog seinen Blick aus dieser unsichtbaren Umarmung. Dann unterbrach er den Kontakt, in dem er die Augen für eine Sekunde schloss und dann den Blick wieder fixierte – diesmal auf mich. Ich kam mir ertappt vor, aber er lächelte mir zu und schien mich mit den Augen herbeizuwinken. Falk wandte sich irritiert zu mir um. Höchste Zeit, mit den Getränken zu ihnen hinüberzugehen.
    „Darf ich

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