Wolkentöchter
bestellen Sie ihren chinesischen Müttern, dass wir mit Liebe, Dankbarkeit und Hochachtung an sie denken!
Vielen Dank,
Familie Macechko
( USA )
Liebe Xinran,
es war eine Freude, von Dir zu hören. Ich verstehe ganz genau, was Du damit gemeint hast, dass Dein »Kopf« erst Tage nach Deinem Körper ankommt. Um die Welt zu fliegen ist einfach eine sehr seltsame Erfahrung.
Bitte, bitte, bitte schreib »Wolkentöchter«! Du musst das Buch für all diese Mädchen schreiben. Mei und Xue fragen immer noch, warum ihre »Bauchmami« nicht für sie sorgen konnte. Und ich muss ihnen antworten, dass ich es nicht weiß. Weil ich es nicht weiß. Ich kann nicht lügen. Ich kann nur raten – vielleicht war Armut der Grund, vielleicht postnatale Depression, vielleicht Vergewaltigung, vielleicht die Tatsache, dass sie Mädchen sind, vielleicht war die Mutter zu jung. Auch den Schmerz kann ich nur erahnen. Ich sammle alle Bücher und Zeitungsausschnitte über China, damit die Mädchen, wenn sie größer sind, nachlesen können, wie das Leben war, und es vielleicht besser verstehen – verstehen, was ihre leibliche Mutter erlebt hat. Aber wenn Du Reportagen über die chinesischen Mütter schreiben würdest, wäre das eine viel bessere Erklärung.
Ich konnte Dein Buch »Verborgene Stimmen« nicht lesen, weil ich es zu schmerzlich fand. Ich habe geweint und geweint und geweint. In jeder Frau stellte ich mir Meis und Xues Mutter vor – und was sie ertragen musste und welcher Verlust es für sie war, ihre Babys weggeben zu müssen. Irgendwann müssen all diese adoptierten Mädchen verstehen, dass ihre Mütter sie (hoffentlich) nicht weggegeben haben, weil sie sie nicht liebhatten, sondern weil das Leben zu hart und unerträglich war. Das müssen sie voll und ganz verstehen. Nur so kann der Schmerz der Ablehnung wirklich gelindert werden.
Mei und Xue haben so viel Freude in unser Leben gebracht. Durch sie ist Barrys und mein Leben erst vollkommen, und in unserer Familie herrscht eine wunderbare Nähe. Aber mir ist bewusst, dass es irgendwo eine Mutter gibt (falls sie noch lebt), die wegen ihrer Mädchen einen tiefen Schmerz empfindet. Sie sollte wissen, dass ihre Mädchen ein glückliches Leben führen und dass sie sich keine Sorgen machen muss. Aber ich weiß auch, dass das Leben kompliziert ist und dass ein wohlmeinender Westler schnell große Probleme heraufbeschwören kann.
Die Mothers’-Bridge-of-Love-Stiftung finde ich absolut sinnvoll. Sie ist sehr wichtig. Die Verbindung zwischen all diesen Mädchen und ihren Müttern. Die Verbindung zwischen den Frauen dieser Welt ist sehr wichtig. Für manche sind Deine Bücher bloß Geschichten, aber für viele von uns sind sie sehr viel mehr. Irgendwann werden Mei und Xue Deine Bücher lesen und das Leben ihrer leiblichen Mutter und Großmütter ein wenig besser verstehen. Dafür können wir Dir nur danken.
…
Viele liebe Grüße (auch von Mei und Xue). Sie sind richtig fasziniert von Dir – Xue liest sehr gern und findet es toll, dass Du Bücher schreibst. Sie hat mich gebeten, Deine Mail vorzulesen (und ich hab es getan, auszugsweise). Beide Mädchen fühlen sich Dir irgendwie verbunden. Das ist sehr interessant. Komm bald wieder und besuch uns! Wenn Du das nächste Mal da bist, musst Du bei uns wohnen.
Herzlich, Ros
(Neuseeland)
Ich habe so viele Briefe erhalten, dass ich förmlich von ihnen überschwemmt wurde. Was in ihnen stand, lässt mir keine Ruhe und drängt mich oft zu der Frage: Wenn ich selbst eine adoptierte Tochter wäre, wie würde ich damit umgehen? Wo würde ich Antworten auf die Fragen finden, die ein so seltsamer Start ins Leben zwangsläufig aufwirft?
Im April 2007 kehrte ich nach China zurück und suchte erneut das Gespräch mit meiner Mutter. Ich wollte mich von den Erinnerungen befreien, die in den tiefsten, dunkelsten Winkeln meiner Seele ruhten; ich wollte ihr erzählen, was mir, ihrer Tochter, während der Kulturrevolution widerfahren war, als sie nicht bei mir war. Ich wollte ihr die alptraumhaften Qualen verständlich machen, die ich durchlitten habe und die mich noch immer verfolgen. Sie sollte begreifen, wie sehr sie mir fehlte, wie sehr ich mich noch immer nach ihr sehne, nach meiner Mutter. Aber genau wie bei zahllosen früheren Begegnungen bekam ich kein Wort heraus. Ich saß nur stumm vor ihr, in Tränen aufgelöst. Aber diesmal war etwas anders: Während ich schweigend dasaß, begriff ich allmählich, wie sich diese adoptierten
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