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Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Beldt
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Männer in Trainingshosen bemerkte, die anscheinend wahllos Bierdosen in ihren Einkaufswagen warfen. Dabei sahen sie sich immer wieder nervös um. Ich erkannte sofort, dass hier etwas nicht in Ordnung war. Offenbar hatten die beiden vor, die Bierdosen ohne Bezahlung aus dem Supermarkt zu schaffen. Zwar war ich nie ein Mann der Tat gewesen, doch hier fühlte ich mich auf eine beunruhigend zielstrebige Art herausgefordert. Noch war mir allerdings nicht klar, wie ich die Männer an ihrem Vorhaben hindern sollte. Einem Faustschlag wäre ich hilflos ausgeliefert gewesen. Dennoch sagte mir eine innere Bassstimme: Bernd, du kannst nicht immer nur wegschauen.
    Ich ging zum Ausgang, stellte mich gut sichtbar neben die Schiebetür und ließ die Männer nicht mehr aus den Augen. Bald hatte mich einer der beiden entdeckt. Während ich unbeweglich, aber entschlossen dastand, wurden die Männer zunehmend nervöser. Dass meine pure Existenz schon ausreichte, um zwei harte Kerle in ihrem Tun zu verunsichern, war eine ganz neue Erfahrung für mich. In meinem Bekanntenkreis hatte sich nämlich schon lange der Eindruck verfestigt, ich könnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Bedauerlicherweise konnten mich meine Bekannten nicht sehen, denn ich kam nur selten in die Lage, ihnen zu zeigen, was so alles in mir steckte. In diesem Moment trat einer der Männer breitbeinig auf mich zu. »Wen du beobachten?«, fragte er in einem osteuropäischen Akzent und zog seine Trainingshose über die Hüften. Ich sagte zunächst gar nichts. Ich fühlte mich zu Auskünften dieser Art nicht verpflichtet. Weil der Mann aber nicht von mir wich, sah ich mich schließlich zu einer klaren Antwort gezwungen. »Ich warte auf jemanden«, sagte ich so entspannt, wie es unter diesen Umständen eben möglich war. Er blickte mich an, als sei er sich nicht hundertprozentig sicher, ob ich ihn auf den Arm nehmen wollte. Dabei hatte ich meine Antwort so offen formuliert, dass er mit allem rechnen musste. Schließlich zog er die Hose unnötigerweise ein weiteres Mal hoch und drehte um. Kurz danach verließen sie ohne Einkaufswagen den Supermarkt.
    Abends erzählte ich Jutta von meiner Tat, nicht ohne die Geschichte an einigen Stellen etwas zu dramatisieren. Sie lag auf dem Sofa und blätterte in einer juristischen Fachzeitschrift.
    »Hörst du mir eigentlich zu?«, fragte ich zwischenzeitlich nach, ich war gerade bei der entscheidenden Szene, als der Mann das erste Mal seine Hose über die Hüften zog.
    »Er steht vor dir und fragt dich: Wen du beobachten«, sagte meine Frau, weiterhin in ihrer Zeitschrift blätternd. Das war inhaltlich zwar korrekt wiedergegeben, befriedigte mich allerdings überhaupt nicht. Ein bisschen mehr innere Anteilnahme mit einem Schuss Besorgnis hatte ich schon erwartet. Ich schwieg verärgert und fing nun meinerseits an, in der Fernsehzeitschrift zu blättern. Daraufhin legte Jutta ihre Zeitschrift prompt beiseite. »Nun erzähl schon weiter«, sagte sie in einem leidenden Tonfall, der mir jegliche Erzähllust augenblicklich verdarb. Da ich so schnell nicht wieder in Stimmung kam, studierte ich das morgige Abendprogramm und entdeckte bei dieser Gelegenheit eine Dokumentation über Auswanderer, die mich aus irgendeinem Grund stark interessierte.
    »So, jetzt aber«, meinte Jutta. Inzwischen saß sie aufrecht und blickte mich übertrieben neugierig an.
    Ich erzählte den Ausgang der Geschichte, ließ die Männer dabei jedoch nicht einfach so aus dem Supermarkt verschwinden, sondern kurz neben mir stoppen, worauf ich sie mit einer herrischen Geste des Hauses verwies.
    »Ich hoffe, die Geschäftsleitung hat sich bei dir erkenntlich gezeigt«, sagte sie für mein Empfinden ein wenig zu sachlich. Ihre Reaktion enttäuschte mich so, dass ich erneut zur Fernsehzeitschrift griff und beleidigt schwieg.
    Daraufhin verschwand Jutta kurz in der Küche und kehrte zu meinem Erschrecken mit der Pralinenschachtel wieder zurück.
    »Ich hätte mich das sicher nicht getraut«, versuchte sie mich zu besänftigen und drückte mir die Schachtel in die Hand, als wäre sie über meine privaten Genüsse zur Nachmittagszeit längst im Bilde. Beunruhigt fragte ich mich, was sie noch alles von mir wusste.
    »Findest du eigentlich, dass ich ein richtiger Mann bin?«, fragte ich aus einer plötzlichen Laune heraus. Schon länger befürchtete ich nämlich, dass sie mich nur deshalb geheiratet hatte, weil von mir keinerlei Bedrohung auszugehen schien. Ich tat, als

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