Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
dauernd mit dir streiten will?« Die Diskussion bekam zunehmend absurdere Züge.
»Vielleicht liegt es auch daran, dass du nichts Eigenes hast«, dachte sie laut nach.
»Aber ich habe doch dich!« Es war mein voller Ernst.
»Das ist süß«, sagte sie.
» Du hast mir doch vorgeschlagen, zu Hause zu bleiben.«
»Ja, aber doch nicht auf Dauer.«
»Ich soll also wieder arbeiten gehen, damit ich ausreichend unzufrieden bin, um abends dann einen Streit mit dir anfangen zu können?«
Sie fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
»Ich will doch überhaupt nicht mit dir streiten!«
»Aber ich bin dir zu verständnisvoll.«
»Vielleicht erwarte ich nur, dass du an Herausforderungen wächst und Probleme nicht wegschiebst, sondern bewältigst.«
»Ich habe aber gar keine Probleme«, sagte ich ehrlich entrüstet.
Während sie erneut schwieg, überlegte ich, wann ich das letzte Mal ein schwerwiegendes Problem hatte. Als Kind hatte ich mir zu Weihnachten immer Indianerfiguren gewünscht. Leider wurde mein Wunsch nie erfüllt, obwohl ich mich bis zu meinem fünfzehnten Lebensjahr eigentlich für kaum etwas anderes interessierte als den Wilden Westen. Erst als mein Interesse erlahmte, getraute ich mich, meine Mutter zu fragen, wieso ich zu Weihnachten nie die ersehnten Indianerfiguren geschenkt bekommen hatte. Sie habe das Wort auf dem Wunschzettel wegen meiner schlechten Schrift nicht entziffern können, gab meine Mutter zur Antwort. Sie ahnte nicht, was ich in all den Jahren durchleiden musste.
»Wir sollten mal wieder ein paar Freunde einladen«, wechselte Jutta abrupt das Thema. »Was hältst du von einer Gartenparty?«
Offenbar glaubte sie, mir eine Freude zu bereiten, wenn ich meine Kochkünste vor Gästen präsentieren durfte. Dabei handelte es sich bei den »Freunden« ausschließlich um ihre Arbeitskollegen, mit denen mich nicht das Geringste verband. Wahrscheinlich würde sie auch Gunnar einladen, was mir sofort schlechte Laune machte.
»Also eine richtige Party mit allem Pipapo«, versuchte sie mich aus der Reserve zu locken.
Pipapo war die Abkürzung für ein »üppiges Büffet mit diversen Köstlichkeiten«, und dafür würde niemand anderes zuständig sein als ich.
»Du sagst mir dann noch rechtzeitig, was ich servieren darf«, sagte ich kühl und verschränkte die Arme.
»Ach, Berndchen«, seufzte Jutta, und da war mir klar, dass ich wieder einmal einlenken würde. Natürlich wusste sie das, und obwohl ich wusste, dass sie es wusste, hatte ich das Spiel jahrelang klaglos mitgespielt.
Sie lächelte zufrieden.
»Wir können ja heute mal früher ins Bett gehen«, schlug sie vor und strubbelte sich durchs kurze Haar, was sie immer dann tat, wenn sie mit mir schlafen wollte. Ich mochte diese eindeutige Art nicht. Ich mochte nicht, wenn von vornherein feststand, dass ich keine Wahl hatte. Für ein Vorspiel, flankiert von einem nahrhaften Abendessen mit Kerzenschein und klassischer Musik, fehlte ihr leider die romantische Ader. Dabei wäre ich gerne einmal erobert worden – halb zog sie ihn, halb sank er hin.
Ich dachte an die Herausforderungen, an denen ich wachsen sollte, und schleppte mich hoch ins Schlafzimmer.
Während Jutta im Bett auf mich wartete, verbrachte ich meine übliche Zeit im Bad. Ich war noch nie zu Bett gegangen, bevor ich mich nicht gewaschen und eingecremt hatte.
»Na, endlich«, sagte Jutta, als ich nach einer Dreiviertelstunde im Schlafzimmer erschien.
Sie lag bereits vollständig entkleidet da. Ihr Körper hatte eigentlich etwas Knabenhaftes, wie ich erst jetzt bemerkte, schmale Taille, flache Brüste und kein Gramm Fett zu viel. Ein wenig fürchtete ich mich vor ihrem durchtrainierten Körper. Ich dachte dabei mehr an Leistungssport denn an Beischlaf.
»Wie lange kennen wir uns nun schon?«, fragte ich rhetorisch.
»Ja, ja«, machte sie, »aber ein bisschen mehr Spontanität könnte dir auch nicht schaden.«
»Als ich mit dir letzten Sonntag spontan ins Kino gehen wollte, war es dir wieder zu spontan.«
»Ich war müde«, sagte sie.
»Du hattest keine Lust auf Bruce Willis«, entgegnete ich.
»Ich kann den Kerl einfach nicht leiden.«
»Aha!«, sagte ich.
Ich löschte das Licht und legte mich zu ihr.
Einen Moment lagen wir still nebeneinander.
»Was meinst du mit ›aha‹?«, fragte sie.
»Aha«, sagte ich, »eröffnet als Ausruf eine Einleitung zu einer neuen Ansicht über ein höheres Ansinnen des Seins.«
»Wie bitte?«
»Aha ist ein überlegendes Geräusch
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