World of Warcraft: Jaina Prachtmeer - Gezeiten des Krieges
ließ er eine von ihnen los, aber die andere hielt er weiter in der seinen, während er mit einem Wink vorschlug, ein wenig am Strand entlangzuspazieren. „Sagt mir, was Euch bedrückt“, forderte er sie auf.
„Sie sind … sehr kriegerisch.“
„Schließlich sind es Generäle.“
Verzweifelt hob sie den Arm, gleichzeitig fragte sie sich aber, warum sie noch immer Kalecs Hand hielt, während sie über den Sand schritten. „Natürlich, aber – es ist nicht so, als wäre dieser Krieg unausweichlich. Für viele von ihnen ist das eine persönliche Angelegenheit. Ich weiß, auch damit hätte ich rechnen müssen, aber … Ihr kennt meine Geschichte, Kalec. Ich habe meinen Vater und meinen Bruder an die Horde verloren. Falls irgendjemand Grund hat, verbittert und hasserfüllt zu sein, dann bin ich es. Dennoch habe ich mich entschieden, nicht diesem Pfad zu folgen, sondern nach Frieden zu streben. Und wenn ich höre, wie einige von ihnen über die Horde sprechen – mit beleidigenden, grausamen Worten –, dann fühle ich nichts als Bedauern. Ja, ich möchte meine Heimat verteidigen, und ebenso möchte ich die Horde zurückdrängen, damit sie nicht länger eine unmittelbare Bedrohung darstellt. Aber ich – ich möchte sie nicht ausweiden oder ihre Köpfe auf Piken spießen!“
„Niemand könnte es Euch übel nehmen, falls Ihr es doch tätet“, meinte Kalec.
„Aber ich habe keine solchen Gedanken! Ich will nicht …“ Sie verstummte kurz, suchte nach den richtigen Worten. „Mein Vater wollte nicht einfach nur gewinnen. Er hasste die Orcs. Er wollte sie vernichten. Sie vom Angesicht von Azeroth tilgen. Und einige dieser Generäle empfinden genauso wie er!“ Sie konnte sein Gesicht nur von der Seite sehen. Seine Züge waren so glatt und ebenmäßig, als hätte ein Künstler sie mit ein paar vollendeten Strichen seines Stiftes gezeichnet, aber seine Stirn furchte sich, als er ihren Worten lauschte, und seine Augen blieben auf den Boden gerichtet, damit keiner von ihnen über eine Schildkröte stolperte. Schließlich spürte er Jainas Blick auf sich, und er drehte den Kopf zu ihr herum. Sie hatte noch gar nicht bemerkt, wie unglaublich blau diese Augen tatsächlich waren.
„Ihr habt sie sehr geliebt“, bemerkte er leise. „Euren Vater Daelin und Euren Bruder Derek.“
„Natürlich“, entgegnete Jaina, aber plötzlich konnte sie nicht mehr in diese gütigen blauen Augen sehen. Also starrte sie auf ihre Stiefel hinab, die sich einen Weg durch Sand und Treibholz bahnten. „Ich habe mich … schuldig gefühlt, als sie starben.“
„Euer Vater ist durch die Hand eines Orcs gestorben, dennoch wurdet Ihr und Thrall später gute Freunde. Und was Euren Bruder betrifft“, erklärte er, wobei seine Stimme weicher wurde. „Er ist von den roten Drachen getötet worden, auf denen die Orcs ritten.“
„Und jetzt bin ich mit einem Drachen befreundet, ich weiß“, sagte Jaina, um dem Augenblick seine drückende Schwere zu nehmen. Kalec lächelte kurz, aber seine Augen blieben ernst.
„Und Ihr fragt Euch, was Euer Vater wohl von Euren Entscheidungen gehalten hätte“, fügte er hinzu. Jaina nickte, verblüfft darüber, wie gut er sie zu verstehen schien. „Glaubt Ihr, dass an seinen Überzeugungen etwas Richtiges war?“
„Nein“, antwortete sie und schüttelte das blonde Haupt. „Aber es ist schwer für mich, jetzt die gleichen hasserfüllten Phrasen zu hören. Es ist … wie ein Echo aus der Vergangenheit, und ich glaube, ich hatte nicht damit gerechnet, es zu vernehmen. Ich war jedenfalls nicht bereit dafür. Wie kann ich ihnen nur klarmachen, dass ihr Zorn und Schmerz der falsche Weg sind, zumal sie doch so vieles und so viele verloren haben?“
„Es sind nicht ihr Zorn und ihr Schmerz, die Euch Sorgen bereiten“, erwiderte Kalec. „Ihr hattet schon oft mit beidem zu ringen, das weiß jeder. Die Schlussfolgerung, die sie aus ihren Erfahrungen gezogen haben – das ist es, was Ihr ablehnt. Es ist nichts Falsches daran, eine andere Meinung zu vertreten. Aber glaubt Ihr, dass der Hass diese Heerführer in der Schlacht unberechenbar machen wird?“
Jaina dachte eine Weile über diese Frage nach, dann sagte sie: „Nein.“
„Und ich glaube, sie denken ebenso wenig, dass Euer Streben nach Frieden Euch beeinflussen könnte, wenn es um die Verteidigung Eurer Stadt geht.“
„Dann – ist das also alles bedeutungslos. Wie sie fühlen, und wie ich fühle?“
„Oh, es ist alles andere als
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