World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
Produkte der jungen Chemieindustrie zunutze machte, verlieh dem Ganzen ein zusätzliches zerstörerisches Element; diechemischen Waffen verursachten verheerende Verluste, die man so nicht erwartet hatte.
Heute entwickelt unser Militär ausgeklügelte Pläne für eine neue Form des Krieges und nutzt erneut eine Technologie, die ursprünglich für kommerzielle Zwecke entwickelt wurde. Wie vor hundert Jahren werden diese Pläne von der Öffentlichkeit kaum kritisch hinterfragt.
Es kommt in der amerikanischen Geschichte ohnehin selten vor, dass sich Wissenschaftler, die Medien und der Kongress auf ein bestimmtes Problem konzentrieren und sich gemeinsam engagieren, um mögliches Unheil abzuwenden. Der strategische Atomkrieg, auf den ich mich immer wieder beziehe, liefert das beste Beispiel. Eine neue Technologie stand zur Verfügung, und das amerikanische Militär sah darin die Möglichkeit, militärische Dominanz zu erreichen und so den Frieden zu sichern. Von Luftwaffenstützpunkten mit dem Motto »Frieden ist unser Beruf« sollten massive Einsätze geflogen werden, um mit Nuklearwaffen Städte und zivile Ziele frühzeitig zu bombardieren. Erst als Wissenschaftler und Forscher die Pläne hinterfragten und überlegten, wie man einen Nuklearkrieg führen sollte, wurden rationale Kontrollen und Strategien entwickelt und übernommen.
Heute erstellen das US Cyber Command und die damit verbundenen Stellen, für die wirklich intelligente und patriotische (und leider auch unterbezahlte) Regierungsbeamte arbeiten, Pläne und richten Kapazitäten ein, um eine »Dominanz im Cyberspace« zu erreichen, mit der die Sicherheit des Landes gewährleistet und der Frieden erhalten werden soll. Auch in anderen Ländern rüstet sich das Militär für den Cyberkrieg. Im Rahmen dieser Vorbereitungen werden elektronische Falltüren in zivilen Netzwerken angelegt und logische Bomben in Stromnetzen platziert, um in der zivilen Infrastruktur die Saat der Zerstörung auszubringen. Die Cyberkrieger glauben, ihre neue Form der Kriegführung sei ein Fortschritt, nicht nur, weil die neueste Technologie zum Einsatz kommt, sondern auch, weil keine Sprengstoffe verwendet werden und es keine direkten Toten gibt. Wie die Predator-Piloten, die in den USA sitzen und Taliban in Pakistan per Fernsteuerung töten, kann man beim Cyberkrieg zu der Ansicht gelangen, weil man in einer friedlichen Umgebung lebt, sei die Zerstörung auf der anderen Seite der Erdhalbkugel irgendwie sauber und ordentlich, ganz anders als der »echte Krieg«.
Wenn in einer Zeit wachsender Spannungen, in einer zukünftigen Krise, von der wir heute noch nichts ahnen, das Cyberkommando eines Landes angewiesen wird, dem potenziellen Gegner eine »Botschaft zu senden«, und eine der bereits installierten logischen Bomben aktiviert, wird dadurch ein größerer konventioneller Krieg verhindert oder ausgelöst? Vielleicht wird der Gegner in die Irre geführt und weiß nicht, wer hinter dem Angriff steckt, wodurch andere Länder in den Konflikt hineingezogen werden. Wahrscheinlich wird ein Cyberkrieger in irgendeinem Land ohne Genehmigung von ganz oben handeln und damit einen Konflikt heraufbeschwören. Oder ein Hacker benutzt eine Cyberwaffe nicht für kriminelle Zwecke, sondern zur Zerstörung, oder er entdeckt eine logische Bombe und probiert sie einfach aus. Der daraus entstehende Cyberkrieg könnte enorm schnell um sich greifen und die ganze Welt in Mitleidenschaft ziehen.
Wenn ein amerikanischer Präsident Truppen entsendet, um eine Atomwaffenanlage in einem Schurkenstaat oder ein Ausbildungslager für Terroristen zu bombardieren, ist dieses Land vielleicht nicht in der Lage, es mit unseren beeindruckenden konventionellen Streitkräften aufzunehmen. Doch es genügt schon eine kleine Investition in die entsprechende IT-Technologie, damit das Land reagieren und beispielsweise das internationale Finanzsystem, an dem es wenig Interesse hat, zerstören kann. Das Missverhältnis zwischen den Kosten, sich den konventionellen US-Streitkräften zu stellen, und den minimalen Investitionen für Cyberwaffen wird viele Länder in Versuchung führen, vielleicht auch kriminelle Vereinigungen und Terroristen.
Da die USA den Cyberspace erfunden haben und vermutlichführend sind bei der Cyberspionage und der Entwicklung von Cyberwaffen, haben sie vielleicht eine gewisse Arroganz entwickelt, die sie zu der Annahme veranlasst, niemand könne Amerika in einem Cyberkrieg schlagen. Unsere Cyberkrieger –
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