World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
und allgemein unsere Experten für nationale Sicherheit – versuchen sich damit zu beruhigen, dass wir einen Cyberangriff wahrscheinlich kommen sehen. Sie denken vielleicht, wir könnten ihn zumindest teilweise abblocken, sie glauben vielleicht, wir könnten entsprechend zurückschlagen und dann noch einmal nachlegen. In Wirklichkeit wird der Cyberangriff eines anderen Landes wahrscheinlich in Amerika seinen Ausgang nehmen, und dann sehen wir ihn nicht kommen und können ihn auch nicht mit den Systemen abblocken, über die wir jetzt verfügen oder die geplant sind. Ja, vielleicht können wir zurückschlagen, aber trotzdem wird unser Land durch einen massiven Cyberangriff auf die zivile Infrastruktur verwüstet, das Stromnetz wird wochenlang lahmgelegt, die Züge werden stillstehen, die Flugzeuge am Boden bleiben, Pipelines und Raffinerien werden explodieren.
Die Realität wird wahrscheinlich so aussehen, dass der US-Präsident, wenn er sich zu einem massiven Gegenschlag entschließt, eine Eskalation verursacht. Er wird derjenige sein, der die Grenze zwischen virtuellem und kinetischem Krieg überschreitet. Dann wird er vielleicht feststellen, dass selbst unsere konventionellen Streitkräfte auf Computertechnologie angewiesen sind. Das amerikanische Militär ist sogar noch stärker von Computernetzwerken abhängig als die kommerzielle Infrastruktur. Die im Dienst des Verteidigungsministeriums stehenden privaten Unternehmen werden möglicherweise durch einen Cyberangriff handlungsunfähig. Die hermetisch abgeschlossenen Computernetzwerke, auf die sich das Pentagon verlässt, erweisen sich vielleicht als durchlässig und nicht einsatzbereit. Die technisch hochentwickelten konventionellen Waffen und Systeme, die den US-Truppen ihre Dominanz sichern sollen (beispielsweise das Kampfflugzeug F-35 oder das Global Positioning System) fallen womöglich einfachaus. Wir sind nicht das einzige Land, das eine logische Bombe platzieren kann.
Wenn die Nation im Dunkeln sitzt, in der Kälte zittert, keine Lebensmittel mehr im Supermarkt kaufen und kein Geld mehr am Bankautomaten abheben kann, Teile des Militärs plötzlich lahmgelegt sind und sich die Lage im regionalen Krisenherd, wo alles begann, weiter verschlechtert, was macht der Oberbefehlshaber dann? Vielleicht ernennt er eine Kommission, die untersuchen soll, was falsch lief. Die Kommission wird die Unterlagen einer anderen Kommission finden, die 1996 von Bill Clinton ernannt wurde, und staunend feststellen, dass die Katastrophe bereits damals vorhergesagt wurde. Sie wird bemerken, dass eine regierungsunabhängige Kommission bereits 2008 riet, den Cyberkrieg ernst zu nehmen. Wenn die Kommissionsmitglieder besonders fleißig sind, finden sie eine Untersuchung der National Academy of Sciences über offensive informationstechnologische Kriegführung aus dem Jahr 2009, in der gewarnt wird, das Konzept für einen Cyberkrieg sei »misslungen, unausgereift und höchst ungewiss«.
Die Kommission, die nach der Katastrophe einberufen werden würde, ein Sonderausschuss des Kongresses oder der nächste Präsident würden wahrscheinlich Maßnahmen empfehlen, »damit so etwas nie wieder vorkommt«. Da wir wissen, was bereits empfohlen wurde, was nicht funktioniert hat und warum, sollten wir nicht warten, bis die Katastrophe über uns hereinbricht, sondern zuvor einen Plan für den Cyberkrieg entwickeln. Wenn wir das schmückende Beiwerk und die Dinge weglassen, die nett, aber nicht notwendig sind, bleiben sechs einfache Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen müssen, um eine Katastrophe im Cyberkrieg zu verhindern.
1. Nachdenken über das Unsichtbare
Zunächst müssen wir eine allgemeine öffentliche Diskussion über den Cyberkrieg anstoßen. Vor kurzem bat mich eine Studentin, die ein Aufbaustudium machen wollte, ihr eine Universität zu empfehlen, wo sie Seminare zur Kriegführung im Netz besuchen könnte. Wir gingen die Vorlesungsverzeichnisse durch und fanden an den Hochschulen, an denen internationale Sicherheitspolitik gelehrt wird, etwa die Kennedy School of Government in Harvard, die Woodrow Wilson School in Princeton oder die Lyndon Johnson School der University of Texas, keinen einzigen Kurs. Sie fragte mich, welche Bücher sie lesen solle, und wir entdeckten ein paar interessante Titel, aber nur wenige, die sich intensiv mit der Strategie und Technologie des Cyberkriegs befassten. Bei einigen vielversprechenden Titeln stellte sich heraus, dass sich der Begriff
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