World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
»Informationskrieg« auf psychologische Kriegführung oder Propaganda bezog.
Vielleicht gibt es so wenige Bücher über Cyberkrieg, weil das Thema größtenteils geheim ist. Aber vielleicht sollte es gerade deshalb eine öffentliche Diskussion geben, weil so viel unter die Geheimhaltung fällt. In den fünfziger und sechziger Jahren wurde Strategen wie Herman Kahn, Bill Kaufmann und Albert Wohlstetter gesagt, über einen Atomkrieg dürfe man nicht öffentlich diskutieren. Kahn reagierte darauf unter anderem mit dem 1962 erschienenen Buch Thinking the Unthinkable (»Nachdenken über das Unvorstellbare«), das einen wichtigen Beitrag zu einer vehement geführten öffentlichen Auseinandersetzung mit den moralischen, ethischen und strategischen Dimensionen des Krieges leistete. Auch die Forschungsarbeit und Veröffentlichungen am MIT, in Harvard, Princeton, Chicago und Stanford trugen zur Diskussion bei. Bill Kaufmann lehrte in seinen Seminaren am MIT, in Harvard und an der Brookings Institution zwei Generationen Studenten, selbstständig zu denken und eine Nuklearstrategie zu entwickeln und kritisch zu analysieren. Heute gibt es inHarvard und am MIT ein offenes Forschungsprogramm mit dem passenden Namen Project Minerva, das vom Verteidigungsministerium finanziert wird. (Ich muss dabei an Hegels Bemerkung denken: »Die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug«, womit gemeint ist, dass die Erkenntnis immer zu spät einsetzt.)
Inzwischen ist der Cyberkrieg auch Thema in den Medien. Mitarbeiter des Wall Street Journal und der New York Times berichten seit 2008 darüber. Die renommierte Sendung Frontline im amerikanischen Fernsehen brachte 2003 die einstündige Reportage Cyber War. Allerdings konzentriert sich das Fernsehen stärker auf die Computerkriminalität, weil viele Zuschauer bereits darunter zu leiden hatten. In Filmen dagegen wird der Cyberkrieg häufig thematisiert. In Stirb langsam 4.0 legt ein in Ungnade gefallener Sicherheitsexperte des Verteidigungsministeriums (bei dem die New York Times eine gewisse Ähnlichkeit mit mir erkannte, was natürlich Unsinn ist!) die nationalen Computernetzwerke lahm. In Eagle Eye – Außer Kontrolle explodieren durch Hackerangriffe Hochspannungsmasten, und ein allgemeines Chaos bricht aus. In The Italian Job – Jagd auf Millionen beschränkt sich der Hackerangriff auf Ampelschaltungen, doch in Ocean’s Eleven verursachen Hacker einen Stromausfall in Las Vegas. Das sind nur einige Beispiele von vielen. Das Kinopublikum hat vermutlich kein Problem, sich vorzustellen, was ein Cyberkrieg anrichten kann.
Hochrangige Regierungsbeamte schaffen es dagegen wohl eher selten ins Kino. Vielleicht denken sie auch, das sei alles nur erfunden. Um begreiflich zu machen, dass solche Szenarien Realität werden können, brauchen wir ein Übungsprogramm für die Privatwirtschaft. Luftwaffengeneral Ken Minihan schlägt für die Privatwirtschaft ein Planspiel ähnlich wie die Militärübung »Eligible Receiver« vor.
Überraschenderweise gab es im Kongress zahlreiche Anhörungen zur Cybersicherheit, und auch das Government Accountability Office wurde mit einer Untersuchung beauftragt. In einem Bericht beschäftigte man sich mit der Frage, ob die Warnungen zutreffen, dass das Stromnetz von Hackern angegriffen werden könnte. Das Government Accountability Office untersuchte eins der wenigen Energieunternehmen in staatlicher Hand, die Tennessee Valley Authority, und berichtete bereits 2008, dass es erhebliche Sicherheitsmängel gebe und das Stromnetz nicht vor Hackerangriffen geschützt sei. Zum Thema Cyberkrieg im Unterschied zur allgemeinen Cybersicherheit hat der Kongress jedoch kaum etwas unternommen, weder was Inspektionen noch Anhörungen oder die Gesetzgebung betrifft.
Der Kongress ist ein Verbund von Vasallen und der Unbeständigkeit von Parteispenden und der Lobbyarbeit derer unterworfen, die das Geld aufgetrieben haben. Diese Situation wirkt sich auch auf das Engagement des Kongresses beim Thema Cyberkrieg aus. Zum einen ist jeder bestrebt, seinen eigenen Einflussbereich zu wahren. Daher wurde der Vorschlag von Senator Bob Bennett (einem Republikaner aus Utah) abgelehnt, einen einzigen Ausschuss zu ernennen, der sich mit der Cybersicherheit befasst. Infolgedessen gibt es etwa 28 Ausschüsse und Unterausschüsse, von denen sich keiner umfassend mit der Problematik auseinandersetzt. Zum anderen scheut der Kongress Regulierungen und macht daraus keinen
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