World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
Mängel von Soft- und Hardware. All die zuvor angesprochenen Bestandteile der Internetarchitektur (die Computer, die Router und Schaltungen, die Server, auf denen E-Mail-Konten und Websites untergebracht sind) werden von einer Vielzahl vonUnternehmen produziert. Oft wird die für den Betrieb dieser Geräte benötigte Software von verschiedenen Firmen hergestellt. Auf dem US-Mark zum Beispiel stammen die meisten Laptops von Dell, HP und Apple, die meisten großen Router von Cisco und Juniper. Die Server liefern, abhängig vom Einsatzgebiet, HP, Dell, IBM und viele andere Hersteller, die Software für deren Betrieb in erster Linie Microsoft, Oracle, IBM und Apple, aber es gibt noch Tausende weitere Softwareanbieter. Obwohl dies allesamt amerikanische Unternehmen sind, kommen die Geräte (und manchmal auch der Programmcode) aus aller Welt.
In seinem Buch Die Welt ist flach verfolgt Thomas Friedman die Erzeugung seines Dell-Inspiron-Notebooks von dem Augenblick, da er bei einem Kundendienstmitarbeiter in Indien seine telefonische Bestellung aufgibt, bis zum Eintreffen des Geräts an seiner Haustür in Maryland. Eine Fabrik in Penang in Malaysia hat seinen Rechner montiert. Ein Team von Dell-Ingenieuren im texanischen Austin und Notebook-Designern in Taiwan haben ihn gemeinsam entworfen. Den Großteil der schwierigen Arbeit, das heißt des Designs des Motherboard, erledigte das taiwanesische Team. Die übrigen 30 Schlüsselkomponenten bezog Dell von verschiedenen Unternehmen. Der Intel-Prozessor war auf den Philippinen, in Costa Rica, Malaysia oder China zusammengebaut worden. Der Speicher stammte von Samsung in Korea oder von weniger bekannten Herstellern in Deutschland oder Japan. Die Grafikkarte kam aus einer Fabrik in China. Das Motherboard war in Taiwan entworfen und vielleicht auch in einer der dortigen Fabriken produziert worden, wahrscheinlicher ist jedoch, dass es chinesischer Herkunft war. Die Tastatur wurde in einer von drei möglichen Fabriken in China gebaut, von denen eine taiwanesischen Unternehmen gehört. Die Wi-fi-Karte wurde entweder von einem Unternehmen in China, das amerikanische Eigentümer hat, oder von einem chinesischen Unternehmen in Malaysia oder auch in China oder in Taiwan produziert. Die Festplatte kam vermutlich aus einer Fabrik des amerikanischen Herstellers Seagatein Singapur; es könnte aber auch sein, dass sie in Thailand von Hitachi oder Fujitsu oder auf den Philippinen von Toshiba produziert wurde.
Nachdem all diese Teile in einer Fabrik in Malaysia zusammengebaut worden waren, wurde ein digitales Bild des Betriebssystems Windows XP (und wahrscheinlich auch eines von Windows Office) auf die Festplatte gebrannt. Der Programmcode dieser Software, der allein bei XP mehr als 40 Millionen Zeilen lang ist, wurde an mindestens einem Dutzend Orten in aller Welt geschrieben. Nachdem das System mit der Software ausgestattet war, wurde der Computer verpackt, gemeinsam mit 150 ähnlichen Geräten auf eine Palette gelegt und in einer Boeing 747 nach Nashville befördert. Dort nahm UPS den Laptop in Empfang und lieferte ihn bei Friedman ab. Insgesamt, berichtet der Autor stolz, umfasste die Lieferkette für seinen Computer einschließlich der Sublieferanten etwa 400 Unternehmen in Nordamerika, Europa und vor allem Asien.
Warum füllt Friedman sechs Seiten eines Buches über Geopolitik mit der Beschreibung der Lieferkette des Computers, auf dem er dieses Buch schreibt? Weil er glaubt, dass die Kette, die die Teile seines Computers miteinander verbunden hat, auch die an der Erzeugung dieses Produkts beteiligten Länder verbindet. Seiner Meinung nach verringern diese Verbindungen die Wahrscheinlichkeit zwischenstaatlicher Konflikte wie jener, die wir aus dem 20. Jahrhundert kennen. Friedman verweist darauf, dass es sich hier um eine aktualisierte Version seiner in einem früheren Buch aufgestellten »Goldener-Bogen-Theorie der Konfliktprävention« handelt, der zufolge zwei Staaten, in denen es McDonald’s-Restaurants gibt, keinen Krieg miteinander führen werden. Die neue Fassung dieser – mit einem Augenzwinkern vorgetragenen – Theorie hat erwas mehr Fleisch auf den Rippen. Die Lieferkette ist ein mikroökonomisches Beispiel für den Welthandel, der den beteiligten Ländern nach Ansicht vieler Experten für internationale Beziehungen derart viele Vorteile verschafft, dass die imKriegsfall drohenden wirtschaftlichen Verluste die Konfliktbereitschaft schrumpfen lassen. Friedman untersucht
Weitere Kostenlose Bücher