Worm
des Verteidigungsministeriums lahmgelegt …
Am gestrigen Spätnachmittag bezeichneten Computerexperten das Virus als die bislang schwerste Attacke auf die Computer des Landes.
»Der entscheidende Punkt ist, dass ein vergleichsweise gutartiges Softwareprogramm unsere Computergemeinde in die Knie zwingen und sie eine ganze Zeit lang in der Position halten kann«, erklärte Chuck Cole, stellvertretender Leiter der Abteilung für Computersicherheit am Lawrence Livermore Laboratory im kalifornischen Livermore, die mit zu den von dem Einbruch betroffenen Einrichtungen gehört. »Die Kosten dürften immens ausfallen.«
Wer zu Verschwörungstheorien neigte, dürfte mit besonderem Interesse vernommen haben, dass der Schöpfer des »V irus«, ein 23 Jahre alter Informatikdoktorand der Cornell University namens Robert Tappan Morris, der Sohn des leitenden Wissenschaftlers am National Computer Security Center war, einer Abteilung der National Security Agency. Morris junior war mit Computern aufgewachsen und wie die meisten Mitglieder der Hackergemeinde bestens vertraut mit Netzwerken und den Vorkehrungen zu ihrem Schutz (wie sie zu der Zeit üblich waren, was in den meisten Fällen bedeutete, dass es gar keine gab). Nach allem, was man weiß, tüftelte er den Wurm im Alleingang aus. Laut Markoffs Bericht hatte Morris’ Wurm landesweit Computernetzwerke zum Absturz gebracht – Netzwerke, die zu der Zeit noch hauptsächlich vom Militär, großen Konzernen und Universitäten betrieben wurden. Cliff Stoll, der Autor von Das Kuckucksei, der damals als Experte für Computersicherheit an der Harvard University tätig war, sagte gegenüber der Zeitung: »Im Moment gibt es nicht einen Systemmanager, der sich nicht die Haare raufen würde. Das Virus bereitet uns enorme Kopfschmerzen.«
Die Systemmanager waren natürlich stinksauer, aber sie waren auch beeindruckt. Mehr als nur ein Programmierer beschrieb Morris’ Wurm als »elegant«. Er bestand aus lediglich 99 Codezeilen und beherrschte mehrere clevere Methoden, sich in Computer einzuschleichen, unter anderem, indem er einen Pufferüberlauf (Sie erinnern sich, oder?) in einer File-Sharing-Anwendung des ARPANET verursachte. Morris, der seinen Wurm über eine IP -Adresse der Harvard University ins Netz schickte, um seine Spuren in Cornell zu verwischen, ging davon aus, dass der Wurm in den von ihm befallenen Rechnern nicht würde aufgespürt werden können. So clever der Wurm aber auch war, er wies einen fatalen Fehler auf. Um zu verhindern, dass er von einem befallenen Netzwerk gelöscht werden konnte, war der Code darauf ausgelegt, sich permanent zu vervielfältigen, was zu Morris’ Entsetzen dazu führte, dass die Sache völlig außer Kontrolle geriet. Als er erkannte, dass der Wurm sozusagen Amok lief, versuchte er nach eigenem Bekunden Instruktionen zu seiner Löschung zu versenden. Dummerweise aber waren die Netzwerke so sehr mit dem vom Wurm verursachten Datenverkehr verstopft, dass er die Instruktionen nicht verschicken konnte.
Nachdem der Wurm außer Kontrolle geraten war, versuchte Morris erst gar nicht, die Verantwortung dafür abzustreiten. Später wurde er unter dem erst 1986 verabschiedeten Computer Fraud and Abuse Act zu drei Jahren Gefängnis auf Bewährung, einem Bußgeld von 10 000 US -Dollar und 400 Stunden gemeinnützigem Arbeitsdienst verurteilt. Eine vielleicht länger nachwirkende Strafe ist der Ruf, der ihm ein Leben lang anhaften dürfte, sein Quasi-Heldenstatus in den Reihen derer, die Cybervandalismus bewundern. Morris, der heute Professor am MIT ist, beharrt darauf, dass er lediglich insgeheim Computer infizieren wollte, um sie zu zählen. Das Gericht vertrat damals allerdings die Auffassung, dass er den Wurm darauf programmiert hatte, gezielt Computer zu »attackieren«, die von Sun Microsystems und Digital Equipment Corporation betrieben wurden, zweien der am härtesten getroffenen Unternehmen.
Bis zu Morris’ Coup hatten manche in der Computertechnikgemeinde Viren generell als bösartig, Würmer dagegen als gutartig klassifiziert. Morris hatte nun, absichtlich oder nicht, das destruktive Potenzial von Würmern demonstriert. »Der Vorfall war überfällig und geschah uns ganz recht«, meinte Geoffrey Goodfellow, Präsident von Anterior Technology Inc., gegenüber Markoff. »W ir haben das gebraucht, um wieder zur Vernunft zu kommen. Wir haben viel zu wenig Wert auf unsere Absicherung gelegt.« Eine Klage, die zusehends häufiger angestimmt
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