Der geheime Basar
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Prolog
Ich erinnere mich an die Stadt des Regens und an Herrn Ali Samimi, der uns immer ermunterte fortzugehen. Wir sagten stets zu ihm: «Aber es geht uns gut hier.» Worauf er dann antwortete: «Es wird euch noch an vielen Orten gutgehen, wenn ihr nur rechtzeitig wegzugehen versteht.» In den Nachmittagsstunden umlagerten wir seinen Melonenstand und verleiteten Kunden zum Kauf. Am Abend ruderten wir ihn nach Hause, zu der violetten, verbeulten Hütte, die am Ende des Wellblechviertels auf dem Wasser trieb. Der Alte wurde immer wütend und schrie: «Haltet euch am Ufer, ihr Dummköpfe, gegen den Strom rudern ist nur am Rand erlaubt», doch Amir Teimuri und ich liebten es, wie eine kaputte Düse herumzuschleudern, fern der Schilfrohre und Wasserlilien. Ein gutes Herz hatte Herr Ali Samimi, bedachte uns immer mit einer Handvoll Münzen, obwohl wir bereit waren, umsonst für ihn zu arbeiten. «Hauptsache, ihr geht endlich fort, ihr zwei», brummelte er. «Das ist eine Stadt für die Kindheit, nicht fürs ganze Leben.»
Unser orangefarbenes Schnellboot war ein gelbes Floß, das wir rot anzustreichen versucht hatten. Wir hatten die Seiten mit Brettern geschlossen und vorne zwei Stangen gekreuzt, um eine Art Bug zu bilden. Den Motor hatten wir aus den Überresten einer russischen Ural zusammenmontiert, die an der Fischerstatue am Mala-Platz zerschmettert war. Im Herbst zogen wir ihm ein weißes Laken als Segel auf und stahlen uns des Nachts in die Werften – nur so, ohne Grund. Im Winter durchschnitten wir mit dem Boot die brüchigen Eisflächen, die Pumpe gefror, der Motor spuckte Flammen. Im Frühling, in der Abendsonne, steuerten wir mit Holzrudern, um in kurzer Hose und Unterhemd fernab von gierigen Sittenpolizisten einzuschlafen. «Sei züchtig und achte die Gesetze des Islam», zwinkerte ich Amir immer zu und lachte. Im Sommer aber, wenn die Hitze kochte, liebte ich es, mich wie ein Pfeil von den hohen Brücken zu stürzen. Amir kam dann mit dem Boot angeprescht, um mich aufzulesen und auszuwringen, und gemeinsam hängten wir uns an das Raketenboot «Huang-Phang» oder an den Wellenbrecher, hinter dem der Schaum schreckenerregend hochschlug. Freitags umrundeten wir die Insel Beheschti. Und am Samstag – der lebhafteste Tag der Melonenverkäufer – verdingten wir uns bei Herrn Ali Samimi auf dem Markt. Er sagte immer, die wichtigste Wahl im Leben ist, welche Brücken man überqueren und welche man verbrennen soll. Also kletterten wir auf die Katschian-Brücke, um die Zeit mit Nachdenken über die wichtigste Entscheidung im Leben zu verbrennen – wegzugehen.
Beim Blick von der Brücke flutete die Welt. Elf Flüsse ergießen sich in die Lagune, vier träge Rinnen vereinen sich zur Bucht, und die Sonne des Kaspischen Meeres taucht wie eine Blutorange hinter den Berggipfeln ab. Dort hängten wir uns über das blaue Eisengeländer, ließen die Füße im Windkanal baumeln und warfen mitleidige Blicke auf die Hafenarbeiter, die in gestreiften Overalls zwischen den Hafenkränen herumwuselten. Ein Strom erschöpfter Fischer kehrte von einem Tag zurück, der nicht anders war als jeder andere, und wir schwebten darüber, dachten an das große Leben und ergingen uns in den kleinen Details – so würde unser Teheran sein: Beim Blick aus dem Fenster würden weiße, dichtgedrängte Türme zu sehen sein. Zehnspurige Straßen würden darum betteln, dass wir uns ein Moped anschafften. Flugzeuge würden aufsteigen. Mädchen mit gefährlichem Lächeln würden sich zu uns in die Studentenwohnheime in Kargar schmuggeln. Im Cyber-Café Golestan würden wir berühmte Freunde sammeln. Oder sogar auf der Straße, denn Berühmtheiten spazierten dort auf der Straße herum. Oder im Thaiboxclub. Oder an der Kletterwand in Amir Abad. Wir markierten Orte auf zerschlissenen Stadtplänen und prägten sie uns ein. Einmal die Woche, Metro Nummer fünf, würden wir im Sportdress antreten, ein Ausscheidungsspiel im Azadi-Stadion. Und Weltfußball schauen, auf Kanal drei um vier Uhr morgens, samt Cashewnüssen und Eis im Bett – Dinge, die Mama auf die Palme brachten. Wir würden rechtzeitig weggehen. Das war das Wichtigste im Leben. Wir würden Arbeit in der Hightech-Branche finden und viel Geld scheffeln, eine Wohnung am Stadtrand mieten, im wilden Süden, im Viertel der Bahnarbeiter. Im Sommer würden wir nach Goa fliegen. Oder nach Malaysia. Und am wichtigsten im Leben war es, sich auszuzeichnen; wir würden zu
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