Worm
Ricks Gründen für die Weitergabe der Daten größtenteils einverstanden, machte ihm aber klar, dass er als Teil der Gruppe sich vorab mit den anderen hätte beraten müssen.
In den folgenden Tagen kühlten sich die Gemüter wieder ab. Rick wurde zwar nicht aus der »Kabale« ausgeschlossen, aber die Sinkholing-Operation an Chris Lee an der Georgia Tech übertragen. Auch wenn Rick weiter eine aktive Rolle spielte, den Schatten des Verdachts konnte er nie mehr ganz abstreifen.
Ungeachtet dieser gelegentlichen Ausbrüche war man in der »Kabale« Ende Februar ziemlich zufrieden mit sich selbst. Die Überzeugung wuchs, dass Conficker eingedämmt war, zumindest weitgehend. Hier und da wurden sogar schon Überlegungen laut, eine abschließende Analyse und Bewertung des gesamten Projekts vorzubereiten. Alle waren der Meinung, dass dies eine Entscheidungsschlacht war, und wollten ihren Triumph entsprechend gewürdigt sehen. Es gab einen Haufen Lorbeeren zu verteilen und jede Menge Gründe, sich einen Teil des Ruhms zu sichern. Also kam man überein, nicht nur auf die von Microsoft ausgeschriebene Belohnung zu drängen, sondern sich auch verstärkt um Medienpräsenz zu kümmern. Schließlich konnte es nicht schaden, die Welt wissen zu lassen, wie groß die potenzielle Bedrohung durch dieses Botnetz war und dass sich die Mitglieder des Tribes auf eigene Initiative hin zu einem selbstlosen Kampf gegen die drohende Gefahr zusammengefunden hatten. Ihre PR -Bemühungen stießen in der allgemeinen Presse anfangs allerdings nur auf verhaltenes Interesse. Das Thema war für die meisten einfach allzu abgehoben – zunächst jedenfalls. Schließlich kam die Sache doch ins Rollen, erst langsam, dann immer schneller. Die wachsende Beachtung in den Medien lockte immer mehr Botnetz-Jäger an, die sich dem Kampf unbedingt anschließen wollten. Aus dem ursprünglichen Kern von nicht einmal einem Dutzend Leute Anfang Dezember war eine Koalition geworden, die, wenn man alle Untergruppen berücksichtigte, über 300 Mitstreiter zählte. Wie es aussah, bog das Projekt auf die Zielgerade ein, und einen Teil zu seinem Erfolg beigetragen zu haben, war eine Feder, die sich jeder Geek gerne an den Hut heftete, ob er nun an einer Universität, in der Privatindustrie oder für die Regierung tätig war. Diese Schlacht wurde auf höchstem technologischem Niveau geführt, und der Kampf war – nun, es gab kein anderes Wort dafür – , er war heroisch!
Anfang März waren mehrere Millionen Conficker-A- und B-Bots unter Kontrolle. China ging sein Conficker-Problem mit gnadenloser Effizienz an. Jeder der vielen Millionen infizierten Rechner schickte regelmäßige Anfragen an die täglich neu erzeugten Domains, und alle diese Anfragen wurden direkt an das Sinkhole an der Georgia Tech weitergeleitet, wo sie von Mitgliedern der »Kabale« erfasst, untersucht und analysiert wurden.
Was sie erreicht hatten, war erstaunlich, aber immer noch nicht gut genug. In seiner triumphierenden E-Mail von Anfang Februar hatte T. J. geschrieben: »Die Tatsache, dass es so viele Leute gibt, die uns helfen möchten, ist ein SIEG ! Wir fangen tonnenweise Verkehr für die Analyse ab … SIEG ! Wir wissen viel über diese Bedrohung dank der Analyse, die von so vielen Leuten auf dieser Liste gemacht wurde … SIEG!«
»Nun, das treibt ja gewaltig Wind in meine Segel«, hatte Rick T. J.s Jubel mit postwendendem Sarkasmus quittiert und alle daran erinnert, dass »wir gestern über 99 Prozent hatten … aber nur 100 Prozent zählen«. Ein Ziel, dem sie immer näher kamen .
Conficker hatte sich noch immer nicht gerührt. Nach dem Auftauchen der B-Variante hatten die meisten in der Gruppe angenommen, dass der Wurm in nächster Zukunft irgendetwas machen würde – eine Annahme, die Rick zu seiner E-Mail »von der Front« an das Verteidigungsministerium veranlasst hatte. Alles hatte danach ausgesehen, als würde dieses enorme Botnetz jeden Moment zum Leben erwachen.
Aber dann … nichts. Das ergab keinen Sinn. Das Rätsel, das sich um den Wurm rankte, wurde noch undurchsichtiger. Wer steckte hinter Conficker? Was sollte damit bezweckt werden?
Der Finne Toni Koivunen , der als Analyst für F-Secure arbeitet, schrieb, für ihn sei die Tatsache, dass Conficker bislang so harmlos auftrete, »schlichtweg verblüffend«.
Die Schöpfer dieses Botnetzes demonstrieren ein merkwürdiges Desinteresse an den (höchstwahrscheinlich in die Millionen gehenden) Erträgen, die
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