Worte bewegen die Welt
als Schöpfer des Weinstocks Wein, Milch und Honig aus der Erde hervorsprudeln. Zugleich vernichtet er diejenigen, die sich ihm und seinen Begleitern widersetzen, befreit aber auch die Menschen von ihren Sorgen.
Bei den religiösen Zeremonien zu Ehren des Dionysos pflegten maskierte Chöre aufzutreten, die die kultischen Verrichtungen tanzend und singend begleiteten. Als man diese Veranstaltungen im Laufe des 6. Jahrhunderts v. Chr. mit szenischen Darbietungen anzureichern begann, entwickelte sich daraus das als Tragödie oder Komödie gestaltete »Drama«, was wörtlich übersetzt »Handlung« bedeutet, im Sinne eines Stückes mit einem festen thematischen Zusammenhalt. Dabei bezieht sich die griechische Tragödie auf den Chorgesang des Dionysos-Kultes, die Komödie auf dessen Maskenzüge mit Stegreifspielen. Die Dramen wurden schließlich regelmäßig im Rahmen der alljährlich im Frühjahr stattfindenden offiziellen Feste für Dionysos, der »Großen Dionysien«, aufgeführt. Sie galten als Weihe- und Erstlingsgaben für den Gott. Dieser Status begründete die Regel der nur einmaligen Präsentation, welche später exklusiv für Aischylos ausgesetzt wurde.
DICHTER IM WETTBEWERB
Konnte der Erfolg eines Bühnenautors sich deswegen nicht an der Häufigkeit der Aufführungen und der Zahl der Besucher messen, so entwikkelten die Griechen dennoch ein ihrem Denken und ihrer Mentalität entsprechendes Verfahren zur Ermittlung von Leistung und Qualität. Die Stücke wurden der Öffentlichkeit nicht einzeln vorgeführt, sondern im gegenseitigen Wettbewerb, dem »Agon«, mit einer anschließenden Siegerehrung.
Das schon von Homer formulierte Prinzip »Immer der Beste sein und die anderen übertreffen« kam also auch im Theater zur Geltung. Während der Großen Dionysien konnte das athenische Publikum am ersten Tag 20 Liedvorführungen, am zweiten Tag fünf miteinander konkurrierende Komödien und vom dritten bis zum fünften Tag je eine Folge von drei Tragödien und einem Satyrspiel mit Szenen der mythischen Begleiter des Dionysos sehen. Durch Los bestimmte Preisrichter verliehen im Anschluss an die Feierlichkeiten die Siegertrophäen, durch die man zwar nicht reich, aber berühmt wurde. Aischylos erhielt erstmals 484 v. Chr. die begehrte Auszeichnung in der Sparte Tragödie. Danach belegte er noch zwölf weitere Male den ersten Rang im Agon der Tragödiendichter. Darum musste es den Athenern als Sensation vorkommen, als der bis dahin die Bühne beherrschende Aischylos 468 v. Chr. dem jungen Nachwuchsdichter Sophokles unterlag, der in jenem Jahr sein erstes Stück überhaupt in den Wettbewerb geschickt hatte. Dafür erhielt Aischylos posthum noch 15 weitere Auszeichnungen für wiederaufgeführte Werke.
DIONYSISCHE FEIERN
Dem rauschhaften Kult des Dionysos galt etwa das Frühlingsfest der Anthesterien im Februar, zu dem Dionysos sich als Blütengott Dionysos Anthios mit der Frau des Königs in der »heiligen Hochzeit« verband. Dies wurde als Rückkehr des Gottes aus der Unterwelt gedeutet. Bei den Anthesterien zog Dionysos in einem Schiffswagen ein – eine Erinnerung an seine Herkunft von jenseits des Meeres, aber auch Zeichen zur Eröffnung der Schifffahrtssaison. Auch die Weinweihe wurde mit den Anthesterien begangen. Sowohl die Lenäen, die im Dezember und Januar gefeiert wurden, als auch die Großen Dionysien, die im Februar und März stattfanden, hatten ihren Mittelpunkt in den kultisch verstandenen Theateraufführungen. Der Kult des Dionysos verbreitete sich über Italien, über die Ägäischen Inseln und – einem Mythos zufolge – zur Zeit Alexanders des Großen sogar bis Indien.
NEUERUNGEN IM THEATER
Zum populärsten Tragiker seiner Zeit wurde Aischylos auch durch einige Neuerungen, denen er zwar nicht den Ruf des Erfinders, wohl aber den des eigentlichen Begründers und Schöpfers der griechischen Tragödie verdankt. Bevor er die Bühne eroberte, gab es in den Aufführungen neben dem Chor nur einen einzigen Schauspieler, meist den Autor selbst. Aischylos erweiterte die dramaturgischen Möglichkeiten erheblich, indem er einen zweiten Schauspieler und damit den Dialog einführte, wobei die beiden Akteure mehrere Rollen gleichzeitig übernahmen. Der Chor wurde dadurch in den Hintergrund gedrängt und das gesprochene Wort erhielt gegenüber dem Gesang ein größeres Gewicht. Dennoch legte Aischylos besonderen Wert darauf, als sein eigener Regisseur intensiv mit den Mitgliedern des Chores zu proben.
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