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Worum Es Geht

Worum Es Geht

Titel: Worum Es Geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ditfurth
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Toleranz. Marcuse beschrieb diese »repressive Toleranz« als eine Haltung gegenüber »politischen Maßnahmen, Bedingungen und Verhaltensweisen […], die nicht toleriert werden sollten, weil sie die Chancen, ein Dasein ohne Furcht und Elend herbeizuführen, behindern, wo nicht zerstören. Diese Art von Toleranz stärkt die Tyrannei der Mehrheit.« 13
    Occupys Art von Toleranz stärkte die politische Rechte. Sekten okkupieren Occupy Frankfurt, beispielsweise das Zeitgeist-Movement und die Anthroposophen. Rechte Gruppen haben sich von Anfang an breit gemacht und bestimmen Kommunikation und Kurs, zum Beispiel Vertreter der rassistischen, rechtspopulistischen Frankfurter Freien Wähler sowie Anhänger und Prediger der antisemitischen Wirtschaftstheorie Silvio Gesells.
    Es gibt überall auf der Welt Menschen, die so denken wie wir. Mehr als bisher müssen wir über alle kulturellen und sozialen Barrieren hinweg die Zusammenarbeit suchen. Häufig scheitert die Kooperation ja nicht an mangelnder inhaltlicher Übereinstimmung. Auch nicht an geografischen Entfernungen oder an der Sprache, sondern daran, dass wir uns nicht als mögliche Bündnispartner »sehen«, weil uns unsere Oberflächen wechselseitig fremd sind: Aussehen, Alter, Stil, Verhaltensweisen, Musik, Slang, Lebensform. Die in Scheinfreiheiten aufgelöste Individualität ist ein echtes Handicap. Vom Arbeiter bis zur Studentin, vom Künstler bis zur Ladenbesitzerin, von der Informatikerin bis zum Punk – hinter jeder Rolle und Funktion kann sich eine Reaktionärin verbergen oder eine potenzielle Aufständische, ein Revolutionär.
    Manchen kritischen Menschen scheint es leichter zu fallen, Befreiungskämpfe in anderen Ländern zu unterstützen, anstatt sich den Verhältnissen hier (auch) zu stellen. Aber wenn wir emanzipatorischen Widerstand überall wirksam unterstützen wollen, müssen wir uns hier mit Staat und Kapital auseinandersetzen: Sand ins Getriebe der großen Maschine werfen, ausbeuterische Pläne bremsen, Rohstoffkriege verhindern, die herrschende Ordnung stören und Konsense zerbrechen, die das System stabilisieren. Viele Stellschrauben sind hier. Jeder Schritt, der uns
hier
gelingt, erleichtert das Leben vieler Menschen
anderswo
, weil der deutsche Staat und das deutsche Kapital (ja, auch der moderne Imperialismus hat noch nationale »Heimatadressen«) großen, oft vernichtenden Schaden an Mensch und Natur in aller Welt anrichten.
    Die Bedingungen, unter denen wir in Deutschland für eine wirklich humane Gesellschaft kämpfen, sind anders als anderswo und anders als früher. Überall in der Geschichte haben sich, von ökonomischer Entwicklung, Ressourcen, Klima und Zufällen hervorgebracht, von Kriegen, technischen Entwicklungen und erfolgreichen wie misslungenen Revolutionen zu kulturhistorischen Besonderheiten geformt, unterschiedliche Bewusstseinlagen und Kampfbedingungen herausgebildet. Auch wenn wir an Deutschland manchmal verzweifeln: Die Verhältnisse und Mentalitäten sind nicht genetisch und nicht unabänderlich.
    In Deutschland herrschen besondere Bedingungen, nicht nur weil es in diesem Land noch nie eine erfolgreiche Revolution gegeben hat. Auch die angeblich »samtene« von 1989 war keine. Denn wie könnte eine Revolution daraus bestehen, eine aus vielerlei Gründen verfallende Staatlichkeit, eine nicht-kapitalistische, aber eben auch nicht-sozialistische, bürokratische Kommandowirtschaft, durch eine viel effizientere kapitalistische Herrschaft abzulösen? Das wäre ja eine gänzlich konterrevolutionäre Interpretation.
    Auch hinsichtlich der Befriedung der Lohnabhängigen hat sich in all den Jahrzehnten und unter unterschiedlichen Regierungen die Kollaboration der Gewerkschaftsführungen mit dem Staat als Interessenvertreter des Kapitals leider bewährt. Hoffnungsschimmer gab es, wenn sich junge Lohnarbeitende nicht sogleich in den staatstragenden Konsens einbinden ließen und wenn unter den Einwandernden Arbeiter waren, die in diese rückständige Bundesrepublik ihre widerständigen, auch revolutionären Erfahrungen mitbrachten. Ohne diese Italiener, Spanier, Portugiesen und Griechen hätte es die industriellen Massenstreiks der 1960er und 1970er Jahre vermutlich nie gegeben. Vielleicht ist dies der Grund, warum in der Bundesrepublik mit dem Ende der Hochkonjunktur Ende der 1970er Jahre in den meisten Massenmedien die Hetze gegen »die Ausländer, die uns die Arbeitsplätze wegnehmen«, begann? Die Kunst sozialer Spaltung beherrschen

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