WoW 02 - Der letzte Wächter
nichts davon wirklich.
Es sei denn als Aufgabe
, dachte Khadgar.
Als Aufgabe, um unliebsame Möchtegern-Schüler in die Schranken zu weisen.
Jetzt standen die Bücher wieder in den Regalen, die wertvollsten (und unlesbarsten) mit Ketten auf der obersten Ebene gesichert, während sich die konventionelleren Abhandlungen über Militärgeschichte, die Almanache und die Tagebücher auf den unteren Ebenen befanden. Hier fanden sich auch die Schriftrollen, die von banalen Listen in Stormwind gekaufter und verkaufter Artikel bis zu Aufzeichnungen epischer Gedichte reichten. Die Letzteren waren besonders interessant, da einige von ihnen von Aegwynn handelten, die angeblich Medivhs Mutter war.
Wenn sie achthundert Jahre alt wurde, dann muss sie wirklich eine mächtige Zauberin gewesen sein
, dachte Khadgar. Mehr Informationen über sie enthielten wahrscheinlich die geschützten Bücher ganz oben, ganz hinten. Bisher hatten diese Wälzer jeder höflichen und flehentlichen Bitte und jedem gewaltsamem Versuch, sie zu öffnen, widerstanden, und die Grille kreischte hysterisch vor Entsetzen, wann immer er versuchte, die Bände für sich zu erschließen.
Trotzdem hatte er mehr als genug mit dem Sortieren loser Seiten zu tun, der Wiederinstandsetzung jener Bücher, die das Alter beinahe vollständig verzehrt hatte, und dem Ordnen (oder zumindest Lesen) des größten Teils der Korrespondenz. Einige der späteren Briefe waren in Elfenschrift verfasst, und viele von ihnen, die aus den verschiedensten Quellen stammten, waren in einer Art von Kode geschrieben. Der letztere Typus besaß sehr viele unterschiedliche Siegel, die aus Azeroth, Khaz Modan und Lordaeron stammten, sowie von Orten, die Khadgar nicht einmal im Atlas fand. Eine große Gruppe kommunizierte in Geheimschrift untereinander und mit Medivh.
Es gab mehrere alte Grimoires über Kodes, von denen sich die meisten um Brief-Verschlüsselungen und Zunftsprachen drehten. Nichts ließ sich mit dem Kode vergleichen, der in diesen Schriften benutzt wurde. Vielleicht kombinierten sie eine Reihe von Methoden, um eine vollkommen neue zu erschaffen.
So hatte Khadgar die Grimoires über Kodes zusammen mit den Fibeln zu den Elfen- und Zwergen-Sprachen vor sich auf dem Tisch liegen, als Medivh eines Abends plötzlich in den Turm zurückkehrte.
Khadgar hörte ihn nicht so sehr, als dass er seine plötzliche Präsenz spürte – so wie sich die Luft verändert, wenn eine Sturmfront über Äcker hinwegfegt. Der junge Magier drehte sich auf seinem Stuhl um, und da stand Medivh. Seine breiten Schultern füllten den Türrahmen, seine Robe bauschte sich hinter ihm, als besäße sie einen eigenen Willen.
»Herr, ich …«, begann Khadgar lächelnd und erhob sich halb aus dem Stuhl. Dann sah er, dass die Haare des Magiers in Unordnung waren. In seinen grün schimmernden Augen spiegelte sich Wut.
»Dieb!«, schrie Medivh und zeigte auf Khadgar. »Eindringling!« Der ältere Magier hielte seine Hand auf den Jungen gerichtet und begann eine Reihe fremder Silben zu intonieren, Worte, die nicht für die menschliche Kehle gedacht waren.
Instinktiv hob Khadgar eine Hand und wob ein Schutz-Symbol in der Luft vor sich, doch es hätte genauso gut eine obszöne Geste sein können, was ihren Einfluss auf Medivhs Zauber anging. Eine Wand aus harter Luft krachte in den jungen Mann und rollte über ihn und seinen Stuhl hinweg. Die Grimoires und Fibeln schlitterten über den Tisch wie Boote, die von einer plötzlichen Böe erfasst wurden, und die Notizen tanzten wirbelnd davon.
Überrascht wurde Khadgar zurückgeworfen und fiel in eines der hinter ihm stehenden Bücherregale. Das Regal schwankte unter der Wucht des magischen Windes, und der Junge hatte Angst, dass es herabstürzen und seine ganze Arbeit zunichte machen würde. Doch das Regal hielt seine Position, während Medivh seinen mächtigen Angriff fortsetzte und sich der Druck auf Khadgar Brust verstärkte.
»Wer bist du?«, donnerte Medivh. »Was tust du hier?«
Der junge Magier kämpfte gegen das Gewicht auf seiner Brust, und es gelang ihm zu sprechen. »Khadgar«, keuchte er. »Assistent. Ordne die Bibliothek. Eure Befehle.« Ein Teil seines Geistes fragte sich, ob das der Grund war, weshalb auch Moroes stets in solch abgehackter Weise sprach.
Medivh blinzelte bei Khadgars Worten wie ein Mann, der gerade eben aus tiefem Schlaf erwacht. Er drehte seine Hand leicht, und sofort löste sich die Welle aus harter Luft auf. Khadgar fiel auf die
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