WoW 09 - Arthas-Aufstieg des Lichkönigs
den Titel des Jungen. Das würde sich im Laufe der Zeit ändern, doch Arthas wusste, warum sein Vater sich so verhielt. Varian sollte wissen, dass man ihn immer noch respektierte, er immer noch königlich war, obwohl er alles außer seinem Leben verloren hatte.
Varian presste die Lippen zusammen und nickte. »Danke«, sagte er schließlich.
»Arthas, ich gebe ihn in deine Obhut.« Terenas drückte tröstend Varians Schulter. Dann ging er und schloss die Tür.
Die beiden Jungen musterten sich gegenseitig. Arthas' Geist war völlig leer. Die Stille zog sich unangenehm lange hin. Schließlich platzte Arthas heraus: »Das mit deinem Vater tut mir leid.«
Varian fuhr zusammen, wandte sich ab und ging zu den großen Fenstern, vor denen sich der Lordamere-See ausbreitete. Es hatte zu schneien begonnen, die Flocken sanken langsam zu Boden und bedeckten das Land mit einem weißen Tuch. Das war schade – an einem klaren Tag konnte man bis zur Festung Fenris blicken.
»Danke.«
»Ich bin sicher, er hat mutig gekämpft und sein Bestes gegeben.«
»Er wurde ermordet.« Varians Stimme war dumpf und emotionslos. Arthas wirbelte herum und blickte ihn schockiert an. Seine Gesichtszüge, die Arthas nun im Profil sah und die durch das kalte Licht des Wintertages erhellt wurden, waren unnatürlich ruhig. Nur seine braunen Augen, blutunterlaufen und voller Schmerz, schienen lebendig. »Eine vertraute Freundin arrangierte ein Treffen mit ihr allein. Dann tötete sie ihn. Stach ihm mitten ins Herz.«
Arthas blickte ihn an. Der Tod in einer glorreichen Schlacht war schon schwer genug zu ertragen, aber dies...
Impulsiv legte er eine Hand auf den Arm des Prinzen. »Ich habe gestern gesehen, wie ein Fohlen geboren wurde«, sagte er. Es klang verrückt, aber es war das Erste, was ihm einfiel, und er sprach mit vollem Ernst. »Wenn das Wetter besser wird, zeige ich es dir. Es ist wirklich eine tolle Sache.«
Varian drehte sich zu ihm um und blickte ihn einen Moment lang an. Gefühle verwandelten sein Gesicht – Beleidigung, Unglaube, Dankbarkeit, Sehnsucht, Verstehen.
Plötzlich füllten sich seine braunen Augen mit Tränen und Varian sah weg. Er verschränkte die Arme und schlang sie um sich, seine Schultern, zitterte. Er schluchzte und tat sein Bestes, um die Gefühlsaufwallung zu verbergen. Sie brach sich trotzdem Bahn. Es waren schroffe, abgehackte Klagelaute, die um einen Vater trauerten, ein Königreich, eine Lebensart, deren Verlust er vielleicht bis zu diesem Moment noch nicht richtig realisiert hatte. Arthas drückte seine Arme und stellte fest, dass sie sich unter seinen Händen hart wie Stein anfühlten.
»Ich hasse den Winter«, schluchzte Varian. Diese drei Worte zeigten die Tiefe seines Schmerzes – ein scheinbarer Gedankensprung, der Arthas beschämte. Unfähig solch rohen Schmerz zu erleben, machtlos, etwas dagegen zu tun, ließ er die Hände sinken, wandte sich ab und blickte aus dem Fenster.
Draußen fiel derweil unentwegt der Schnee.
KAPITEL ZWEI
Arthas war frustriert.
Nachdem die Kunde von den Orcs eingetroffen war, hatte er geglaubt, endlich mit der richtigen Ausbildung beginnen zu können, und zwar gemeinsam mit seinem neuen besten Freund, Varian. Stattdessen geschah genau das Gegenteil. Der Krieg gegen die Horde führte dazu, dass jeder, der ein Schwert halten konnte, zur Armee ging – bis hin zum obersten Hufschmied. Varian bemitleidete sein jüngeres Gegenüber und bemühte sich eine Zeitlang, ihn zu trösten. Doch schließlich seufzte er und blickte Arthas mitfühlend an.
»Arthas, ich will ja nicht gemein sein, aber...«
»Es ist schrecklich.«
Varian verzog das Gesicht. Die beiden waren in der Waffenhalle, wo sie mit Helmen, ledernen Brustpanzern und Holzschwertern übten. Varian ging zur Ablage, legte das Übungsschwert darauf, setzte den Helm ab und sagte: »Es hat mich ziemlich überrascht, dass du so kräftig und schnell bist.«
Arthas schmollte. Er kannte Varian gut genug, um zu wissen, dass der Prinz die Lage nur entschärfen wollte. Mürrisch folgte er ihm, verstaute sein eigenes Schwert und löste die Riemen der Rüstung.
»In Sturmwind beginnen wir mit der Ausbildung, wenn wir noch recht jung sind. Als ich in deinem Alter war, hatte ich meine eigene Rüstung, die extra für mich angefertigt worden war.«
»Mach's nur noch schlimmer«, knurrte Arthas.
»Tut mir leid.« Varian lächelte ihn an und Arthas lächelte zögernd zurück. Obwohl ihr erstes Treffen von Trauer und
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