Wozu wollen Sie das wissen?
etwas anderes zu sein als schlichte Schafpferche.
Ich reiste allein, hatte in Selkirk einen Bus bestiegen, der zweimal wöchentlich für Leute verkehrte, die Einkäufe machen wollten, und mich nicht weiter als bis Ettrick Bridge brachte. Dort lief ich herum und wartete auf den Briefträger. Es hieß, er würde mich ins Tal hineinfahren. Das einzig Sehenswerte in Ettrick Bridge war ein Reklameschild an einem geschlossenen Geschäft, das für Silk Cut, also Seidenschnitt, warb. Ich konnte mir nichts darunter vorstellen. Später erfuhr ich, es handelte sich um eine bekannte Zigarettenmarke.
Nach einer Weile kam der Briefträger und nahm mich mit zur Ettrick Church. Als ich dort aus seinem Auto stieg, hatte strömender Regen eingesetzt. Die Kirche war abgeschlossen. Auch sie bereitete mir eine Enttäuschung. Im Jahre 1824 erbaut, konnte sie es weder an Altertümlichkeit noch an Wehrhaftigkeit mit den Kirchen aufnehmen, die ich bereits in Schottland gesehen hatte. Ich fühlte mich völlig fehl am Platz und fror. Ich suchte an einer ihrer Mauern Schutz, bis der Regen ein wenig nachließ, dann erkundete ich den Friedhof, dessen langes Gras mir Schuhe und Strümpfe durchnässte.
Dort fand ich als Erstes den Grabstein von William Laidlaw, meinem direkten Vorfahren, geboren am Ende des siebzehnten Jahrhunderts und bekannt als Will O’Phaup. Das war ein Mann, der sich zu seiner Zeit so weit hervorgetan hatte, dass ihn zumindest in seinem Teil der Welt ein mythischer Glanz umgab, wobei seine Zeit die letzte in der Geschichte war – der Geschichte der Menschen auf den britischen Inseln –, zu der einem Mann das gelingen konnte. Derselbe Grabstein trägt die Namen seiner Tochter Margaret Laidlaw Hogg, die Sir Walter Scott Vorhaltungen machte, und von Robert Hogg, ihrem Mann, dem Pächter von Ettrickhall. Daneben sah ich den Grabstein des Schriftstellers James Hogg, der deren Sohn und Will O’Phaups Enkel war. Er wurde als der »Schäfer von Ettrick« bekannt. Und nicht weit davon fand sich der Grabstein von Reverend Thomas Boston, einstmals in ganz Schottland für seine Bücher und Predigten berühmt, obwohl ihn sein Ruhm nie in ein höheres geistliches Amt trug.
Inmitten etlicher Laidlaws auch ein Stein mit dem Namen von Robert Laidlaw, der in Hopehouse am 29 . Januar 1800 im Alter von zweiundsiebzig Jahren verstarb. Sohn von Will, Bruder von Margaret, Onkel von James, der wahrscheinlich keine Ahnung davon hatte, dass er nur durch diese Verwandtschaft in Erinnerung bleiben würde, ebenso wenig wie von seinem eigenen Todestag.
Mein Ur-ur-ur-urgroßvater.
Während ich diese Inschriften las, setzte der Regen wieder ein, zwar nur leicht, aber ich fand es besser, nach Tushielaw zurückzulaufen, wo ich den Schulbus für die Rückfahrt nach Selkirk erwischen wollte. Ich durfte nicht trödeln, denn der Bus konnte zu früh kommen, und der Regen konnte stärker werden.
Mich überkam ein Gefühl, das viele kennen mögen, deren lange Geschichte in ein Land zurückreicht, weit fort von dem Ort, an dem sie aufgewachsen sind. Ich war eine naive Nordamerikanerin, trotz des Wissens, das ich mir angeeignet hatte. Vergangenheit und Gegenwart, die hier miteinander verknäuelt waren, ergaben eine Wirklichkeit, die alltäglich war und doch weitaus verstörender, als ich mir vorgestellt hatte.
männer von ettrick
Will O’Phaup
Hier ruhet William Laidlaw, der viel gerühmte Will o’Phaup,
dem es an tollen Streichen, Behändigkeit und Kraft zu Lebzeiten niemand gleichtat …
Gedenkspruch seines Enkels James Hogg auf
Will O’Phaups Grabstein, Kirchhof von Ettrick
Eigentlich hieß er William Laidlaw, aber in die Überlieferung ist er als Will O’Phaup eingegangen, wobei Phaup einfach das in der Gegend gebräuchliche Wort für Far-Hope war, dem Bauernhof am Ende vom Ettrick Valley, den er übernahm. Wie es scheint, hatte der Hof seit Jahren leer gestanden, als Will dort Einzug hielt. Genauer gesagt, das Haus hatte leer gestanden, weil es ganz am Ende des entlegenen Tales in so großer Höhe stand und im Winter von den regelmäßig einsetzenden Schneestürmen so grausam heimgesucht wurde. Das ihm am nächsten und tiefer gelegene Gehöft Potburn galt bis vor Kurzem als das höchste bewohnte Haus in ganz Schottland. Jetzt wohnt niemand mehr darin, und in den Scheunen nisten nur noch Finken und Spatzen.
Das Land selbst dürfte Will nicht gehört haben, es wäre ihm wohl nicht einmal verpachtet worden – nur das Haus hatte er
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