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daß einem die Zähne rausfielen.
Geschmacklos, aber wirkungsvoll. Das springt ins Auge. Das dringt ins Herz. Die
vielen Autos, die in Richtung Gare de l’Est oder Châtelet hier vorbeifuhren,
nahmen einen Namensfetzen des Schlagerstars auf ihrer Karosserie mit. Ein
schwacher Schimmer, wie ein leiser Seufzer, eine zerstreute Liebkosung, ein
flüchtiger Kuß. Die gute Ehefrau und das brave Mädchen, die manchmal in einem
dieser Wagen saßen, fielen fast in Ohnmacht, wenn sie so zart gestreift wurden. Gil Andréa. G,I,L usw.
Zum Schluß fängt’s wieder von vorne an. Wenn nichts mehr übrigbleibt, geht’s
wieder los.
Vor dem Varietétheater ging
eine Nutte powackelnd auf und ab. Die hohen Absätze ihrer glänzenden Schuhe
klapperten auf dem Bürgersteig. Vielversprechende Brüste spannten sich
aufreizend unter der Seidenbluse. Kommst du, Chéri, dich an deiner Frau rächen?
Damenkränzchen für Madame, Hure für Monsieur. Das sind die Spielregeln, wie der
Dichter sagt. Auch ein finsterer Araber lungerte da herum, in seiner dunklen
Hand versteckt amerikanische Zigaretten, frisch abgestaubt aus Nato-Beständen.
In der Ferne wölbte sich vor
der hellen Lichterkette des Théâtre de la Renaissance der Torbogen von
Saint-Martin, gleichgültig gegenüber dem Gedränge. Am Restaurant Chien-Vert
gingen die Lichter aus. Hunde mit normalem Fell pißten an die Hauswand, keine
bunten Hunde.
Wir bogen in den Faubourg ein
und betraten das Café Batifol, das in buntes Neonlicht getaucht war.
Hier herrschte nicht mehr das
Treiben von früher, als das Lokal bei den Stammgästen unter dem Namen „Strand“
bekannt war, wo sich alles traf, was in Paris an Schauspielern ohne Engagement
oder am Ende der Karriere herumlief (so wie unser Colin). Statisten, kleine
Theaterschauspieler, Musiker. Schäbige Menschenhändler kamen und wählten ihre
Leute aus. Zehn Prozent behielten sie von der kläglichen Gage. Hier an den
runden Tischchen, die nur selten neue Getränke sahen, wurde auch manch
schmutziges Geschäft abgewickelt, über das draußen dann noch weiter getuschelt
wurde. Na ja, das Leben ist hart; jeder muß zusehen, wo er bleibt. Wenn einer
am gleichen Tag zwei verschiedene Engagements hatte, überließ er eins davon
einem seiner Kollegen. Oder aber er versuchte, es ihm zu verkaufen. Man gab
sich Tips für kommende Tourneen oder die nächsten Filmproduktionen. Leider hatte
Frankreich keinen Hollywoodregisseur wie Cecil Blount aus Mille. Man begnügte
sich mit Filmen, die eine einzige Szene im Schwurgericht enthielten. Sehr
beliebt, diese Schwurgerichtsszenen. Dauerten mehrere Tage, mit vielen
Statisten. Eine runde Sache, wie man so sagt.
An jenem Abend saß, sozusagen
zur Erinnerung an die gute alte Zeit, nur eine abgetakelte Frauengestalt
zusammengesunken auf einer Bank. Sie war geschminkt wie eine knallrote Brasse,
und genauso fischig stierte sie vor sich hin. In ihrem Kaffeesatz sah sie die
Erinnerungen an eine glanzvollere Zeit. Sie hätte sich mit dem Burschen mit dem
zuckenden Gesicht zusammentun können — „das dritte Messer“, früher wohl auch
mal Pech gehabt auf den Brettern — , der, den Körper leicht hin und her wiegend,
dem nostalgischen Walzer lauschte, der aus dem glitzernden Musikautomaten kam.
Bei allem guten Willen gelang
es dem Grammophon nicht, die Erinnerung lebendig werden zu lassen.
An der Bar aßen zwei
Durchschnittstypen Sandwiches mit Spezialitäten aus der Auvergne. Im hinteren
Teil des Lokals, dem Billardsaal, trugen drei Halbwüchsige ein
Freundschaftsspiel aus.
Weder an der Theke noch an den
Tischen noch im Billardsaal war Colin alias Nicolss. Für jemanden, der Geld
brauchte, hatte er es nicht sehr eilig. Das ist selten der Fall. Hélène sah auf
die Wanduhr und sagte, er müsse bald kommen. Er sei schon spät dran. Wir
lehnten uns auf den Tresen und warteten, vor uns ein Digestif und hinter uns
die Musik. Die Zeit verging.
„Er überschlägt sich nicht
gerade“, bemerkte ich. „Nicht weil ich mein Geld schnell loswerden will, aber
wenn er die Gewohnheit hat, den Einsatz zu verpassen, dann ist mir schon klar,
warum er arbeitslos ist.“
„Wirklich, er läßt auf sich
warten“, sagte Hélène.
Sie sah wieder auf die Wanduhr,
dann auf ihre Armbanduhr, dann auf meine, verglich die Zeiten und nahm den
Mittelwert.
„Wir warten noch ein wenig,
ja?“
Ich willigte ein. Die Zeit
verging. Auch die Uhr hat eine scheußliche Angewohnheit. Der Bursche mit dem
Ohrfeigengesicht ließ noch
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