Wuensch dir was
dass die Gäste den Alkohol selbst mitbrachten. Dann erzählte mir Lucy von ihrem Liebesleben und ihrem Job als Kleiderdesignerin, und ich hörte mir ihre Klagen über den aktuellen Verehrer an, von dem sie glaubte, sie würde ihn lieben. Sie war fünfundzwanzig und hatte noch keinen festen Freund, und ich fand das völlig richtig. In letzter Zeit erwähnte sie des Öfteren einen gewissen Johnny, aber ich glaubte kaum, dass das etwas Ernstes war. Wie sollte man einen Mann ernst nehmen, der sich Johnny nannte statt Jon oder Jonathan oder John? Barbara bekniete Lucy in einem fort, sich einen Mann zu angeln und endlich sesshaft zu werden, aber ich versicherte Lucy immer wieder, dass sie dafür auch später noch genügend Zeit hatte. Ich lauschte ihren Geschichten über ihre Arbeit und ihre neuen Bekanntschaften, wer ihr welche Kreationen abgekauft hatte und wie viel Stück davon. Sie fragte mich auch oft nach meiner Meinung zu ihren Entwürfen, und ich gab ihr nur zu gern Auskunft. Ich hatte immer in der Modebranche arbeiten wollen, so wie Lucy. Früher hatte ich den Warenbestand von Saks an der City Line Avenue besser gekannt als so manche Verkäuferin. Hester Abramowitz, die beste Freundin meiner Mutter, arbeitete dort jahrelang, praktisch bis zu ihrem Tod. Hester überlebte
meine Mutter und ihre Freundinnen um fünfundzwanzig Jahre, und sie behauptete stets, das läge nur an ihrer Arbeit. Ich mochte Hester sehr, und ich dachte immer noch oft an sie. Hesters Tochter Diane, die viel jünger war als ich, bat mich, bei der Beerdigung ihrer Mutter eine kurze Rede zu halten, also sprach ich über Hesters Zeit bei Saks, denn meistens hatte ich sie dort getroffen. Ich erwähnte, wie gewissenhaft sich Hester um ihre Kundinnen, von denen die meisten auch auf der Beerdigung waren, gekümmert hatte. Hesters Stilgefühl war unschlagbar gewesen. Dasselbe sagte man auch von meinem Stilgefühl (ganz meine Meinung übrigens), und das verdankte ich einzig und allein Hester. Ich hatte selbst gelegentlich mit dem Gedanken gespielt, mir eine Stelle zu suchen, aber ich musste mich um Howard und die Kinder kümmern, und obwohl mir dabei eine Vollzeit-Haushaltshilfe zur Hand ging (unsere treue Gladys, die letztes Jahr starb), hatte ich meine Rolle als Hausfrau und Mutter zu spielen. Außerdem galt es damals als eine Schande, wenn eine Frau arbeiten gehen »musste«. Ich hatte das Thema im Laufe der Jahre ein paarmal angeschnitten, aber Howard tat meine Pläne stets lachend ab.
»Wozu brauchst du einen Job? Sind wir etwa arm?«, höhnte er meist.
Nach ihren Besuchen bei mir ging Lucy häufig noch aus. Sie traf sich dann mit ihren Freunden in einer Bar in der Nachbarschaft, und ich hätte alles dafür gegeben, sie begleiten zu können. Manchmal drohte ich ihr
im Scherz, ich würde mitkommen, und dann drängte sie: »Du wärst die coolste Lady in der ganzen Bar! Los, los, zieh dich an!« Einmal, ein einziges Mal nur wäre ich gern mit ihr gegangen, um zu erleben, was sie so trieb, wenn sie ausging.
Lucy hatte auch viel mehr Grips, als ihre Mutter es ihr je zugetraut hätte. Barbara wollte unbedingt, dass Lucy Jura studierte, wie Howard, doch ich wusste, das war nichts für meine Lucy. Lucy hatte an der Parsons School of Design in New York City studiert und sogar zwei Jahre für Donna Karan höchstpersönlich gearbeitet, als Assistentin oder so, ehe sie voriges Jahr nach Philadelphia zurückgekehrt war, um sich als Designerin selbständig zu machen. Erwähnte ich schon, dass sie nach dem Studium meinen Nachnamen angenommen hatte? Ich kann mich nicht erinnern. Das kommt öfter vor in meinem Alter. Nun, ich muss sagen, Lucy Jerome machte sich als Modemarke bedeutend besser als Lucy Sustamorn. Ist das nicht ein grässlicher Familienname? Als Barbara ihren Zukünftigen damals das erste Mal mit nach Hause brachte und er sich uns als Larry Sustamorn vorstellte, dachte ich: Sustamorn? Gütiger Himmel, das klingt ja fast wie Zystenmann , wenn man es hastig ausspricht. Aus Lucy Sustamorn wurde also Lucy Jerome, und obwohl Barbara erst etwas gekränkt war, fand sie sich am Ende damit ab. Schließlich gab es Lucys Kreationen in einigen der teuersten Läden von Philadelphia zu kaufen, darunter Plage Tahiti und Knit Wit und Joan Shepp. Und der
Einkäufer der neuen Barneys-Filiale am Rittenhouse Square hatte ebenfalls bereits Interesse signalisiert. Barneys!
Hach, was war ich stolz auf meine Enkelin.
Lucy ließ sich gern von meinen alten Kleidern zu
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