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Wünsche

Wünsche

Titel: Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kuckart
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nicht albern.
    Karatsch streicht mit der Linken über die Delfter Kacheln seines Kamins. Eine Windmühle, ein Pferdekarren, eine Ziehbrücke und wieder eine Windmühle. Hat er alles selber verlegt, für Vera.
    Soll ich dir mal was sagen, Sohn? Das waren doch nur Fingerübungen bisher. Mir kommt es vor, als würde das Leben erst jetzt anfangen.
    Was soll denn jetzt noch für dich anfangen?
    Jo nimmt ihm die Fernbedienung weg, wirft eine DVD ein und lässt sie im Suchmodus laufen.
    Wo ist sie übrigens?
    Wer?
    Mutter, sagt Jo.
    7.
    Ich habe einen Traum, sagt Friedrich Wünsche laut. Er geht durch die lange Zimmerflucht, die ihm als Kind noch viel länger vorkam. Im Vorbeigehen fährt er mit zwei Fingern über den Flügel und hinterlässt eine Spur auf dem schwarzen Lack. Er wartet auf seine Schwester Meret, die hoffentlich nicht mehr Klavier spielt. Aber genau weiß er das nicht. Die Strecke zwischen dem Esszimmer und dem Wintergarten mit den hohen, grün schimmernden Fensterscheiben und Blick in den Garten, welchen die Großmutter »Park« nannte, ist zwölf Meter lang. In diesen Scheiben hat sich schon die Großmutter mit ihren knielangen Haaren gespiegelt. Eigentlich geht es ihm ganz gut. Nur an manchen Morgen gleich nach dem Aufstehen hat er das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Er trinkt seinen Kaffee, nimmt eine Dusche, und dann geht es wieder. Friedrich Wünsche ist fünfundvierzig, sieht aber nicht nur wegen der kräftigen Hände und Arme jünger aus. Ich habe einen Traum, wird er gleich vor der Belegschaft von Haus Wünsche sagen. Ich habe einen Traum! Die Hände im Nacken verschränkt, probiert er den Satz noch einmal und mit mehr Nachdruck.
    In der Nacht hat er wirklich geträumt: Er steht in einem Zimmer, ein Hotelzimmer wohl, niedriger Tisch, Stehlampe, dicke fleischfarbene Decke über dem Doppelbett, Teppichboden ebenfalls fleischfarben, Sofa und zwei Sessel, deren Farbe er nicht sehen kann, weil sie mit Bettlaken abgedeckt sind. Geistersessel. Die Tür geht auf. Vera steht da. Sie lieben mich also, hat er im Traum zu ihr gesagt, und ist sofort wach geworden.
    Nein, nicht alles an diesem wolkenlosen, aber nicht sehr kalten Silvestervormittag wird gelingen.
    8.
    Darf ich?
    Bitte! Die Frau in den schwimmbadgrünen Flipflops neben Vera reicht die Flasche mit dem Duschgel herüber. Vera seift sich ein.
    Zitrone, danke!
    Nicht dafür, sagt die Frau. Gefällt dir der Duft? Passt zu uns, oder?
    Ja, Vera lächelt, passt. Wie war das noch im letzten Sommer? Rom. Zwei Fischverkäuferinnen in San Lorenzo, und der Abend färbte sich feierlich rot, als sie mit Karatsch an dem Stand vorbeikam. Die Fischverkäuferinnen trugen die Haare hoch über den weißen Schürzen vom Tag. Vera, ohne Schürze, aber auch mit hochgestecktem Haar, stellte sich für ein Foto hinter dem Stand dazu. Passt!, sagte Karatsch später. Drei Schwestern! Er zeigte ihr das Bild auf dem Display. Du hast schon ein spezielles Talent, sagte er, und sie fragte, welches? So auszusehen wie das, was du gerade siehst, hatte Karatsch gesagt. Damals hat sie an dieses Talent so gar nicht geglaubt. Außerdem sollte man auf Karatsch nicht hören. Was er sagt, gilt meistens so wenig wie ein Schlagertext.
    Die Frau unter der Dusche neben Vera hangelt mit dem großen Zeh nach ihren Flipflops und sagt, was schaust du mich so an? Zählst du meine Sommersprossen? Das Wasser klatscht jetzt härter auf ihren Körper, sie hat die Dusche auf kalt gestellt. Vera duscht noch immer warm. Der Strahl massiert ihr den Nacken. Sie schließt die Augen. Zu Hause bei Karatsch werden später die Freunde bei Mettbrötchen und Sekt sitzen, nachdem sie sich wie jedes Jahr an Silvester in der Stadt unten vom Metzger, Bäcker, Blumen- und Zeitungshändler verabschiedet haben, als würden sie sich für lange Zeit nicht mehr sehen. Die Freunde werden in Karatschs Flachbungalow kommen, um gemeinsam den alten Film anzuschauen. Same procedure as every year, wird Karatsch murmeln, wie jedes Jahr an Silvester. Der Film läuft. Die Zeit bleibt stehen. Die Vera, die ist gar nicht älter geworden, wird Gerrit Rochowiak, genannt das Rehlein, sagen, auch wie in jedem Jahr. Er wird mit seinem Karmann-Ghia kommen. Lilo und Ludwig Schrei werden sich nach dreiundzwanzig Jahren Ehe noch immer an den Händen halten, sogar beim Essen. Selten sind es mehr als zwölf Gäste, und nur zwei oder drei davon rauchen – wie in jedem Jahr – unter der Abzugshaube über dem Küchenherd, weil es draußen vor der

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