Wuestentochter
stattfinden sollen: die Koutha, in deren Verlauf Abd al-Hadi und seine engsten Verwandten und Freunde ihren Vater aufsuchen und formell um ihre Hand anhalten müssten, und die Akdh, während der der Heiratskontrakt ausgehandelt wurde. Abd al-Hadis Vorschlag war ungeheuerlich; er besudelte sowohl ihre Ehre als auch die ihres Vaters, denn ein Mädchen wurde nur dann so schnell vermählt, wenn Zweifel an ihrer Keuschheit bestanden oder ihr Vater den Brautpreis dringend benötigte.
Niemand rührte sich. Es war so totenstill, dass das leise Knarren der hölzernen Zeltpfähle einem Sturm im Wald glich. Der Spielmann hatte aufgehört, an den Saiten seiner qanun herumzuzupfen und starrte sie über die Schulter seines Herrn hinweg an. In seinen Augen stand eine unmissverständliche Bitte zu lesen. Und sie hätte am liebsten geschrien: Warum? Warum sollte ich dir vertrauen? Warum sollte ich tun, was du von mir verlangst?
Doch sie konnte sich dem merkwürdigen Zauber nicht entziehen, den er auf sie ausübte, außerdem war seine Bitte von all denen, die sie heute gehört hatte, die einzige, die nicht von selbstsüchtigen Motiven bestimmt wurde. Also erwiderte sie tonlos: »Ammah, du erweist mir eine große Ehre. Ich werde deinem Wunsch entsprechen und den Antrag meines Vetters voller Demut annehmen. Ich freue mich darauf, als Tochter in deine Familie aufgenommen zu werden.«
Und dann sprang sie auf, ohne eine Antwort abzuwarten, und verließ das Zelt. Von Demut war in dieser Geste nichts zu spüren.
Khalidah ging nicht zum maharama zurück, sondern schlenderte aus dem Lager heraus und auf die mit niedrigem Buschwerk bewachsene Stelle zu, wo die Pferde grasten. Sie wollte nicht darüber nachdenken, was sie soeben getan hatte und aus welchem Grund. Stattdessen beobachtete sie die neue Stute. Die Hassani galten als die besten Pferdezüchter unter den Stämmen, aber dieses Tier stach unter den anderen hervor wie Al-Zuhra unter weniger funkelnden Sternen. Und doch bist auch du nur ein Besitzstück, genau wie ich es sein werde, dachte sie. Sie stellte sich vor, wie die goldene Stute einen Kampftrupp anführte. Sie würde sich zweifellos mit dem Mut eines Löwen den Schwertern und Speeren entgegenwerfen, und Numair - denn sie war sicher, dass ihr Vetter nicht wirklich beabsichtigte, sich von diesem Pferd zu trennen - würde sie verfluchen, wenn sie irgendwann einmal doch fiel. Trotz ihrer Fußfesseln tänzelte die Stute anmutig von Busch zu Busch, und Khalidah seufzte leise.
»Sie ist wunderschön, nicht wahr?«, erklang eine warme, melodische Stimme hinter ihr.
Khalidah fuhr herum. Abd al-Hadis Spielmann war hinter sie getreten und betrachtete gleichfalls das neue Pferd. »Du!«, stieß sie hervor. »Warum peinigst du mich so?«
»Dies ist nicht der Ort, um darüber zu sprechen, Sayyida«, entgegnete er weich.
»Wir sollten überhaupt nichts besprechen - nirgendwo«, gab sie schroff zurück.
»Nein«, stimmte er zu. »Ich sollte Tanzmelodien einstudieren, und du solltest dein Haar kämmen oder in Limonensaft baden oder was auch immer Frauen tun, wenn sie sich für eine Hennazeremonie zurechtmachen.« Die Art, wie er lächelte, verriet Khalidah, dass sie sich den ironischen Unterton in seiner Stimme nicht eingebildet hatte. »Stattdessen stehen wir hier und bewundern Zahirah. Das hat zweifellos etwas zu bedeuten, aber ich bin Musikant, kein Philosoph.«
»Zahirah heißt sie?«
»Welchen Namen sollte ein so herrliches Tier sonst tragen?«
Khalidahs Blick schweifte von dem Pferd zu dem Mann. Seine Haut war heller als ihre, seine Züge weicher als die der Männer der Stämme. Er ähnelte den Persern, denen sie manchmal auf den Karawanenrouten begegneten. Seiner Haltung haftete etwas Majestätisches an, seine schwarzen Augen blickten stolz. Er sah aus wie ein Mann, für den andere ihr Leben gaben. Noch während sie dies dachte, erschreckte sie diese Vorstellung.
»Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann sag es - vorzugsweise kurz und deutlich«, forderte sie.
»Ich habe dir sogar sehr viel zu sagen, aber wir müssen einen sicheren Ort finden. Ich habe schon genug Schwierigkeiten, da muss ich nicht auch noch allein mit der Tochter eines Scheichs ertappt werden.«
Khalidah starrte ihn auf die Weise an, die die meisten Menschen verunsicherte, doch er hielt ihrem Blick ruhig stand. Endlich sagte sie wider besseres Wissen: »Siehst du den Felsen dort oberhalb des Lagers?« Sie deutete auf den Sandsteinvorsprung, wo sie und Bilal
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