Wuestentochter
blass.«
»Mir fehlt nichts.«
Zeyneb wirkte wenig überzeugt, doch da Khalidah sich schon an ihr vorbeigedrängt hatte, sagte sie nur: »Gut, denn die Männer wünschen, dass du das Mittagsmahl mit ihnen einnimmst. Also zieh dich um.«
»Zeyneb …«
»Ja, ich weiß. Du würdest dich lieber in Lumpen hüllen und dir bei Ausritten mit Bilal den Hals brechen. Nun mach schon. Hinein mit dir. Du siehst aus, als hättest du dich in einem Misthaufen gewälzt.«
Widerstrebend folgte Khalidah Zeyneb in das maharama. Es war sogar für das Zelt eines Scheichs ungewöhnlich groß und vor allem ungewöhnlich leer. Normalerweise beherbergte ein maharama einen ganzen Harem nebst den Töchtern der Frauen, doch das von Abd al-Aziz wurde nur von Khalidah und Zeyneb bewohnt. Obwohl Khalidah wusste, dass ihr Vater sich damit ein Armutszeugnis ausstellte, war sie froh, ihre Ruhe zu haben. Die Unterkünfte der anderen Mädchen waren heiß, stickig, mit zeternden Frauen und kreischenden Kindern überfüllt und von den Gerüchen der Küche neben dem Zelt und dem Gestank schmutziger Windeln erfüllt. Sie wusste, dass sie wegen ihres einsamen Daseins bedauert wurde, war aber jeden Tag für die Ruhe und Ordnung in ihrem Zelt dankbar.
Zeyneb ließ die ghata fallen. Khalidah zwang sich, die seltsame Unterredung mit dem Spielmann aus ihren Gedanken zu verdrängen und begann ihre Kleider abzustreifen. Einen Moment später brachte ihr eine Dienstmagd eine Schüssel mit heißem Wasser und ein Handtuch. Der von der Schüssel aufsteigende Dampf duftete nach Rosen.
»Wo kommt denn das Parfüm her?«, wunderte sie sich.
»Es ist ein Geschenk deines Onkels und deines Vetters«, erwiderte Zeyneb, ohne ihr in die Augen zu sehen.
»Seit wann bringen die beiden Geschenke?«, grollte Khalidah. »Normalerweise haben wir von ihnen nur Ärger zu erwarten.« Als Zeyneb nichts dazu bemerkte, wurde ihr klar, dass sie auf Widerspruch gehofft hatte. Ein Kloß bildete sich in ihrer Kehle.
»Dein Vater wird schon mit ihnen fertig«, sagte die Amme schließlich. »Aber ich werde nicht dulden, dass du ihm in Gegenwart seines Bruders Schande machst.«
Um Zeynebs tadelndem Blick zu entgehen, zog sich Khalidah das schmutzige Kleid über den Kopf und ließ es auf das Bett fallen. Während sie sich zu waschen begann, fragte sie betont obenhin: »Wer ist denn der Mann, den sie mitgebracht haben?«
»Sie haben ein ganzes Kriegergefolge mitgebracht - wie immer.«
»Ich halte ihn nicht für einen Krieger. Er sieht aus wie ein Musiker.«
»Ach, der«, versetzte Zeyneb. »Das ist Abd al-Hadis neuer Spielmann. Es heißt, der Scheich hätte großen Gefallen an ihm gefunden und nähme ihn überallhin mit.«
Khalidah nickte, als interessiere sie diese Auskunft nur am Rande, und fuhr schweigend fort, sich zu waschen. Als sie fertig war, reichte Zeyneb ihr ihr blaues Kleid. Es war ein thoub, das traditionelle doppellagige Gewand der Stämme, aus schwerer dunkelblauer Wolle gewoben und von Zeyneb reich bestickt.
»Es ist so heiß …«, begann Khalidah halbherzig.
»Es betont die Farbe deiner Augen«, erwiderte Zeyneb in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ. Das war ihre Standardantwort, wenn Khalidah sich über ihre Kleiderwahl beklagte, doch sie ergab für das Mädchen wenig Sinn. Ihre Augenfarbe - ein dunkles Kupfergold - wurde nicht zu ihren Vorzügen gerechnet. Sie erinnerte die Leute an ihre Mutter, und die meisten Hassani hätten am liebsten vergessen, dass Brekhna je existiert hatte.
Trotzdem ließ sie widerstandslos zu, dass Zeyneb ihr ihre Schärpe umband, sie mit Juwelen schmückte und einen roten Seidenschal um ihren Kopf drapierte. Mit ihrem Werk sichtlich zufrieden führte sie Khalidah ins Freie und hieß sie warten, während sie in einer kunstvoll verzierten Silberkanne Tee aus der Küche holte und Khalidah die Kanne reichte. Dann schob sie sie sanft in Richtung des majlis und zog sich in ihr eigenes Zelt zurück - worauf das Mädchen gehofft hatte.
Obwohl er von seinem Volk ›Al-Adil‹, ›der Gerechte‹, genannt wurde, war Scheich Abd al-Aziz für seine Exzentrizität genauso bekannt wie für seinen Ruf, gerechte Urteile zu fällen. Khalidahs unkonventionelle Erziehung galt als bestes Beispiel dafür, zusammen mit dem Umstand, dass er nur ein Mal geheiratet hatte, obwohl diese Frau früh gestorben war und ihm nur eine einzige wertlose Tochter hinterlassen hatte. Seine Leidenschaft für Pferde stieß schon eher auf Verständnis. Aber obwohl
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