Wumbabas Vermaechtnis
Ebene herumliegende Gipfel vorzustellen, denen der Berg abhandengekommen ist.
Andererseits muss man sagen: Es kommt, wenn es um die Veränderung von Schlagern durch die Hörer geht, eben auch auf die Hörer an, auf ihre Bedürfnisse, ihr Wollen, ihr Unterbewusstes. Nicht jedem geht es beim Falschhören vordringlich um Poesie. Mancher Phantasie sind Grenzen gesetzt, der Mensch versucht dann, in einem poetischen Text nach hartem Realitätsbezug zu suchen. Oder er ist von so nüchternem Verstande, dass ihm schon ein Wort wie »Liebeskummer« zu emotional ist und er einen berühmten Schlager versteht, als sei das Satzzeichen mitgesungen worden: »Liebe Komma lohnt sich nicht, my Darling«. Was dann genau seinem gefühlsfreien Leben entspricht: Liebe lohnt sich nicht, lass es einfach bleiben! Wobei er sogar übersieht, dass das Komma vollkommen fehl am Platze ist und dass er das richtig gesetzte Komma vor »my Darling« nicht mitsingt.
Gerade ein Musiker wie Herbert Grönemeyer (oder, wie manche Kinder ihn zu kennen glauben, Herr Bert Grönemeyer) muss sich diesen Problemen stellen.
Er singt:
»… Alles tut weh
Hab Flugzeuge in meinem Bauch
Kann nichts mehr essen…«
Die Freundin von Frau R. aus Nürnberg aber verstand:
»Alles tut weh
Hab Fruchtzwerge in meinem Bauch
Kann nichts mehr essen.«
So kann das natürlich auch gehen, wenn Menschen der Poesie nicht mehr folgen können oder wollen. Um ein anderes Beispiel von Grönemeyer zu zitieren, es betrifft den Song Ohne dich , in dem der Sänger die Tatsache feiert, dass er sich endlich von einer Frau trennen konnte, die ihm nicht guttat. Da hat jemand immer die Stelle »Du kanntest mich nicht richtig« verstanden als »Du kämmtest mich nicht richtig«. Was in seiner trockenen Banalität großartig ist: Dass nach vielen Vorwürfen im Song (hast mich eiskalt bloßgestellt vor allen, hast mir jeden Spaß geneidet, hast nur noch durch mich durchgesehen) als letzter, größter Vorwurf kommt, sie habe ihn nicht richtig gekämmt, dies ist sowohl auf dem Feld der Beziehungsdiskussion als auch dem des Schlagertextes ein Novum, zumal es der Sänger von Männer vorträgt, das so schöne Missverständnisse wie »Männer backen wie blöde« enthält (dort, wo es eigentlich »baggern« heißt).
Aber um auf die Fruchtzwerge zurückzukommen: Wahrscheinlich sollte man keine Lieder hören, wenn man hungrig ist. Einer Freundin von Frau C. aus
Frankfurt wurde vom Kindermädchen einst vorgesungen: »Ich träume von der Sülze und dem lachenden Hawaii« – wobei man sich fragen muss, ob dieses
Mädchen wirklich immer genug zu essen bekam, wenn sie (statt von der Südsee) schon von Sülze träumt, die es auf Hawaii sicher ebenso wenig gibt wie
Bier.
Noch härter wird aber der große deutsche Dichter Roland Kaiser vom Hunger getroffen. Er besingt in seinem gleichnamigen Lied eine
Insel namens Santa Maria sowie eine junge Dame, die er an den Gestaden Santa Marias in den Armen hielt. Nun kommt es:
»Heiß war ihr stolzer Blick,
und tief in ihrem Inner’n verborgen
brannte die Sehnsucht,
Santa Maria, Schnitzelwagen, Santa Maria,
vom Mädchen bis zur Frau.«
Man stellt sich vor, wie Roland Kaiser am Strand von Santa Maria liegt, eine der Schönheiten des Landes liebkosend – und wie hinter ihm riesige Schnitzelwagen, ganze Sülzenlaster und vielleicht auch noch ein Nachtischwaggon voller Fruchtzwerge vorbeiziehen.
Dabei ging es nur darum, »den Schritt zu wagen, vom Mädchen bis zur Frau«. Aber wer denkt an so was, wenn er Hunger hat?
Arafat im Grugabad: Wie man sich quer durch die Sprachen hört
Dass schlechtes Hören und das Missverstehen fremder Sprachen unsere eigene Sprache bereichern, ist eine Tatsache. Leser E. aus Zürich schrieb: »In früheren Jahrhunderten wünschten sich jüdische Kaufleute auf Hebräisch hazlacha ubracha! – zu Deutsch ›Erfolg und Segen!‹ –, wenn sie ein Geschäft abgeschlossen hatten. In Jiddisch tönte das: hazluuche und bruuche . Die Nichtjuden konnten sich aus dem Gemauschel keinen Reim machen und bald wurde im Deutschen Sprachgebrauch daraus – ja was wohl? ›Hals- und Beinbruch!‹ Das Hebräische peleta bedeutet Flucht. Flüchten musste man als Kaufmann, wenn man pleiteging. Im Jiddischen wurde daraus Pleite und aus einem, der pleiteging, ein Pleitegeier.« Ein Pleitegeher eben.
So machen Wörter ihre Wege durch die Sprachen. Aus dem lateinischen placenta (also Kuchen) wurde im Rumänischen placinta , in Ungarn
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