Wunscherfuellung Fuer Selbstabholer
isoliert
blieben und weiterhin nach traditionellen Gesetzen lebten. Deshalb hatte er ein Tabu für den Kontakt mit weißen Männern ausgesprochen.
Tabus waren strenge Verbote, die man auf keinen Fall verletzen durfte, sonst drohten Krankheit oder gar der Tod durch rächende
Geister. Der Kahuna hatte angedroht, dass jeder, der sich mit Fremden abgäbe, seinem Todesfluch erliegen würde.
Unbesonnen hatte sich der junge Mann für die Expedition von Dr. Brigham gemeldet. Nun war er, ebenso wie die anderen einheimischen
Träger, sicher, dass er Opfer dieses Fluches geworden sei. Alle glaubten, der Kahuna habe Geister ausgesandt, um den jungen
Mann für seinen Ungehorsam zu bestrafen. Dr. Brigham tat der arme Junge leid. Außerdem fürchtete er, dass er seine Forschungsarbeit
abbrechen müsste, falls der Kranke tatsächlich starb. Während er noch darüber |79| nachdachte, wie er das Problem lösen könnte, sprachen ihn die Träger an. Sie waren davon überzeugt, dass Dr. Brigham ebenfalls
ein großer Kahuna wäre. Also müsste er doch die Todesdrohung seines Konkurrenten aufheben können. Erwartungsvoll schauten
ihn die Männer an. Dr. Brigham wusste, dass er jetzt nicht kneifen durfte, wollte er nicht für immer seine Autorität verlieren.
Nach kurzer Überlegung sagte er: »Es stimmt, auch ich bin ein großer Kahuna. Ich werde jetzt die ausgesandten Geister davon
überzeugen, dass dieser junge Mann hier nichts Böses getan hat, sondern dass vielmehr derjenige, der den Fluch ausgesprochen
hat, ein schlechter Mensch ist.« Dann begann Dr. Brigham mit einer beeindruckenden Zeremonie. Über den Kranken gebeugt beschwor
er die Geister mit starken Argumenten. Dabei tobte und schrie er so laut, dass die Zuschauer entsetzt zurückwichen und der
junge Mann wie ein erschrecktes Kind wimmerte. Als Brigham schließlich schweißgebadet und erschöpft seine Zauberei beendet
hatte, war es zunächst totenstill. Dann flüsterte der junge Mann: »Wawae … maikai« – »Beine … gut.« Kurze Zeit darauf konnte
er wieder laufen und war völlig gesund.
Sie meinen, das wären alte Geschichten, die heute keine Gültigkeit mehr haben? Weit gefehlt. Wir haben wenig Grund, den vermeintlichen
Aberglauben von Naturvölkern zu belächeln. Schließlich entdecken wir gerade selbst wieder, dass wir allein durch unsere Vorstellungskraft
Krankheit oder Gesundheit beeinflussen können. Seit einiger Zeit untersucht man in Medizin und Psychologie die Wirkung von
»Placebos«, Arzneien ohne Wirkstoff. Von den Ergebnissen zeigen sich die Wissenschaftler überrascht: Durch pure Einbildung
entsteht oft der gleiche Effekt wie durch eine hoch dosierte Medizin oder eine bewährte Behandlung.
Einen Beleg dafür liefert eine umfangreiche Akupunktur-Studie, die von den Krankenkassen in Auftrag gegeben wurde. Darin wurden
Patienten gegen chronische Rückenschmerzen behandelt. Die einen bekamen eine echte chinesische Akupunktur, die anderen erhielten
eine Scheinakupunktur mit unwirksamen Spezialnadeln. Nach sechs Monaten Behandlung gaben beide Gruppen gleichermaßen an, dass
sich ihre Beschwerden deutlich gebessert hätten.
|80| Sogar in der Chirurgie hat man festgestellt, dass bloße Vorstellung heilen kann. Zwar werden Scheinoperationen aus ethischen
Gründen weitgehend abgelehnt, doch immerhin sind weltweit schon 22 chirurgische Verfahren mit dem Placebo-Effekt überprüft
worden. So etwa für die »Arthroskopie«, einem Verfahren, das häufig bei abgenutzten Kniegelenken angewandt wird. Dabei wird
das Gelenk mit Wasser gespült und etwas Knorpelmasse abgetragen. Dr. Bruce Mosely, ein Orthopäde aus Houston, USA, untersuchte
die Wirkung der Einbildung an 180 Patienten. Den einen wurde das Knie tatsächlich operiert. Die anderen wurden in einen Dämmerschlaf
versetzt, wobei man die Spülgeräusche der OP simulierte, die Haut aber nur anritzte. Das Ergebnis war in beiden Gruppen identisch:
Die Patienten berichteten, dass sie nun wieder besser laufen könnten.
Die Vorstellung erzeugt eine echte Wirkung
Bleibt die Frage, wie denn solche erstaunlichen Reaktionen überhaupt entstehen. Wissenschaftlich lässt sich nachweisen, dass
die bloße Vorstellung Veränderungen im Körper verursacht. Im positiven Fall werden Endorphine, sogenannte Glückshormone, ausgeschüttet.
Sie blockieren den Schmerz und beschleunigen die Heilung. Die Medaille hat allerdings auch eine Kehrseite: Bei starken negativen
Weitere Kostenlose Bücher