Was sich liebt das raecht sich - Roman
Prolog
Ohne auf die nackte Blondine zu achten, die ihm aus Richtung des Himmelbetts verwundert hinterhersah, marschierte Judd Harrington aus dem Schlafzimmer. Barfuß, die maßgeschneiderte Anzughose locker in Höhe der muskelbepackten Taille zugeknöpft, ging er hinunter ins Erdgeschoss, wo er den Blick aus seinen kalten blauen Augen über die in angenehmer Symmetrie angeordneten Räume mit den herrlich restaurierten Schiebefenstern wandern ließ.
Brockett Hall war ein luxuriöses Anwesen im georgischen Stil mit schimmernden Marmorböden und in Wedgewood-Pastelltönen gehalten Wänden, das von einem prunkvollen Wallgraben umgeben war. Judd liebte diesen Graben ebenso wie den geheizten ovalen Pool im Wintergarten hinter dem Salon. Als er auf das Becken sah, weckte das türkisfarbene Wasser, das so harmlos wirkte, eine jahrelang verdrängte, quälende Erinnerung in ihm. Silvester 1984 …
Er schüttelte diesen Gedanken ab und sagte sich, dass dies ein Augenblick der Freude für ihn war. Nach fünfundzwanzig Jahren hatte er das Heim seiner Familie endlich wieder in Besitz genommen, und das Wissen, dass ihm dieses Haus nach all der Zeit wieder gehörte, rief einen wohligen Schauder in ihm wach. Aber schließlich war es, verdammt noch mal, auch allerhöchste Zeit.
Er sah grübelnd aus dem Fenster und nahm dabei die Chilterns Hills, ihre Kalkbetten und die berühmten
Buchenwälder nur am Rande wahr. Meadowbank war ein hübsches Dorf, das in der »Grünes Bucks« genannten Gegend Pendlern eine ländliche Idylle unweit von London bot. Doch Judd hatte nicht das mindeste Interesse an dem unleugbaren Charme des Dorfs, in dem er aufgewachsen war. Er lenkte seinen Blick auf ein pittoreskes altes Haus am Horizont und spürte, wie sich sein Magen aufgrund des alten Grolls und Zorns schmerzlich zusammenzog. Dort war es, dachte er, überlebensgroß und noch viel herrlicher als in seiner Erinnerung.
Pembleton, das atemberaubende elisabethanische Herrenhaus mit den warmen terrakottabraunen Mauern und den romantischen turmähnlichen Schornsteinen, lag inmitten eines ausgedehnten Waldgebiets. Beinahe konnte Judd den warmen Duft der blauen Iris, die dort um diese Zeit des Jahres blühten, riechen, was ihm einen Stich versetzte. Dann aber wurde sein Leid von einem anderen Gefühl ersetzt: dem alles überwältigenden Wunsch nach Rache an dem Mann, dessenthalben die Familie Harrington alles verloren hatte – ihr Vermögen, ihr Zuhause … ihren guten Namen.
Ganz zu schweigen von der Frau, die er als Einzige jemals geliebt hatte, fügte Judd voller Bitterkeit hinzu. Er umklammerte das Fensterbrett so fest, dass alles Blut aus seinen Fingern wich, und kniff die Augen zu, denn Strahlen hellen Sonnenlichts fielen durch die Wolken und tauchten das verhasste Pembleton in ein wunderbares Licht. Es war, als wolle ihn das Haus verspotten, indem es ihn gnadenlos daran erinnerte, was ihm alles entgangen war. Plötzlich sah er überdeutlich vor sich, wie sein bisheriges Leben abgelaufen war.
»Na, wie ist das Haus?« Laura Preston, Immobilienmaklerin, trat in einem schmuddeligen Laken, das sie kurzerhand von einer moderigen Couch gerissen hatte, hinter
ihren Kunden, schlang ihm aufreizend die Hände um den harten Bauch und schmiegte ihre vollen Brüste eng an seinen breiten Rücken an.
Judd blickte sie angewidert über seine Schulter hinweg an. Es war okay gewesen, sie zu bumsen, doch für irgendwelche Nettigkeiten hatte er jetzt einfach keine Zeit.
»Verschwinde«, schnauzte er sie an.
Laura wurde puterrot und machte sich eilig von ihm los. »He, es gibt wirklich keinen Grund, mit einem Mal so …«
»Was auch immer«, fiel ihr Judd ins Wort, wobei ihm seine Ungeduld sehr deutlich anzuhören war. »Hör zu, ich werde das Geld für das Haus gleich morgen überweisen und den Namen der Einrichtungsfirma, die ich beauftragen werde, gebe ich noch telefonisch durch.« Damit wandte er sich ab. »Und in einem halben Jahr ist alles fertig, klar?«
»Kommen dann auch Ihre Frau und Ihre Kinder aus den Staaten?« In dem vergeblichen Bemühen, einen Bruchteil ihrer professionellen Würde zurückzuerlangen, zog sie sich das Laken bis unter das Kinn. Er hatte flüchtig eine Gattin erwähnt, auch wenn er wie die meisten Männer seiner Art natürlich keinen Ehering am Finger trug.
Judd antwortete nicht, sondern starrte einfach wieder aus dem Fenster, so als hätte er bereits vergessen, dass er nicht allein war.
Laura machte auf dem Absatz kehrt und
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