Wurzeln
lag, zum Schutz für das Kind vorsorglich hier schon errichtet hatte. Typisch Mann, hatte er ihr das mit keinem Wort angedeutet.
Binta stillte das Kind, legte es dann in seine Schutzhütte und streifte die Arbeitskleidung über, die sie in ihrem Bündel mitgeführt hatte. Dann ging sie an die Arbeit. Tief vorgebeugt im Wasser stehend, riß sie alle Unkräuter aus, die andernfalls ihre Reisschößlinge ersticken würden. Hörte sie Kunta weinen, watete sie zu ihm, nahm ihn hoch und stillte ihn im Schatten seiner Hütte.
So sonnte sich denn der kleine Kunta täglich in der sorglichen Liebe seiner Mutter. Wenn Binta abends ihrem Mann das Essen gerichtet hatte, rieb sie den Kleinen von Kopf bis Fuß mit Kariteöl ein, damit er eine weiche Haut bekäme, und häufig trug sie ihn noch durchs Dorf zur Hütte von Großmutter Yaisa, die sich dann ihrerseits nicht genug tun konnte, dem Kind Zärtlichkeiten zu erweisen. Allerdings brachten sie ihn auch immer wieder dadurch zum Weinen, daß sie seinen kleinen Kopf samt Nase, Ohren und Lippen in die gewünschte Form kneteten.
Manchmal nahm Omoro den Frauen seinen Sohn fort und trug ihn, in eine Decke gewickelt, in seine Hütte – die Männer wohnten stets getrennt von ihren Frauen –, und hier durfte der Kleine mit Augen und Händen eine Welt voll lockender Gegenstände erforschen, etwa die saphie- Amulette am Kopfende des väterlichen Lagers, welche böse Geister fernhalten sollten. Alles Bunte zog den kleinen Kunta magisch an, besonders die lederne Jagdtasche des Vaters, die jetzt fast ganz bedeckt war mit Muscheln, deren jede ein Tier bedeutete, das der Vater dem Dorf als Beute gebracht hatte. Auch der Bogen und der Köcher mit den langen Pfeilen fand Kuntas glucksende Aufmerksamkeit, und Omoro lächelte, als er sah, wie die winzigen Fingerchen den schlanken, dunklen Speer betasteten, dessen Schaft vom vielen Gebrauch glänzte. Kunta durfte alles anfassen, nur nicht den Gebetsteppich, der seinem Besitzer heilig war. Allein mit seinem Sohn in der Hütte, sprach Omoro von den großen Taten, die sein Sohn Kunta eines Tages vollbringen würde, wenn er herangewachsen wäre.
Dann brachte er den Knaben wieder zu Binta, die ihn stillen sollte. Wo er nun auch war, Kunta war fast immer glücklich, und einschlafen tat er entweder auf dem Schoß seiner Mutter, oder er sah sie doch über sich gebeugt, wenn sie ihm ein Wiegenlied sang, etwa:
Mein lächelndes Kind ,
Genannt nach dem edlen Vorfahren.
Ein großer Jäger oder Krieger
Wirst du eines Tages sein ,
Und deinen Papa stolz machen auf dich.
Ich aber werde mich deiner immer erinnern ,
wie du jetzt bist.
Wie sehr Binta aber auch ihren Mann und ihren Sohn liebte, sie war doch ein wenig besorgt, denn der Brauch gestattete es den islamischen Männern, eine zweite Frau zu wählen und zu heiraten, während die erste das Kind stillte. Omoro hatte noch keine zweite Frau genommen, und Binta wollte ihn dazu auch gar nicht erst ermuntern. Deshalb sorgte sie dafür, daß Kunta möglichst bald das Gehen lernte, denn dann durfte sie aufhören, ihn zu stillen. Als Kunta mit dreizehn Monden die ersten unsicheren Schritte tat, fand er darum bei seiner Mutter Beifall und Unterstützung, und bald schon war er imstande, ohne Hilfe umherzutapsen. Binta war erleichtert, und Omoro war stolz auf seinen Sohn. Als Kunta nach der Brust verlangte, bekam er von seiner Mutter statt dessen einen kräftigen Klaps und eine Schale Kuhmilch vorgesetzt.
Kapitel 3
Drei Regen waren vorüber, und man lebte in jenen mageren Monden, da die Speicher, in denen Getreide und Trockenfrüchte der letzten Ernte aufbewahrt wurden, fast leer waren. Die Männer gingen auf die Jagd, doch brachten sie nur gelegentlich eine Antilope, eine Gazelle oder schwerfällige Hühnervögel mit, denn in der heißen Trockenzeit versiegten die meisten Wasserlöcher, und die jagdbaren Tiere zogen sich tief in den Urwald zurück. Und das ausgerechnet, wenn die Bewohner von Juffure alle Kraft brauchten, um die Aussaat zu bewältigen. Schon streckten die Frauen Reis und Grütze mit den nach nichts schmeckenden Bambussamen und den übelschmeckenden Blättern des Affenbrotbaumes. Die Hungerzeit hatte diesmal so früh begonnen, daß man fünf Ziegen und zwei Rinder – mehr als im letzten Jahr – opferte, um dem Gebet Nachdruck zu geben, Allah möge das Dorf vor dem Hungertod bewahren.
Endlich bezog sich der weiße Himmel, aus der leichten Brise wurde heftiger Wind, und so überraschend wie
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