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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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liegt. In den Jahren der Niederschrift habe ich vor vielen Zuhörern auch darüber gesprochen, wie WURZELN langsam Gestalt annahm. Natürlich bin ich dann und wann gefragt worden: »Wieviel von dem Buch ist Tatsache, und wieviel ist Dichtung?« Nach bestem Wissen und Gewissen – alle Angaben über die Abstammung in WURZELN beruhen auf der sorgfältig bewahrten mündlichen Überlieferung entweder meiner afrikanischen oder meiner amerikanischen Vorfahren. Vieles davon konnte ich auf die gängige Weise dokumentarisch belegen. Diese Beweisstücke, zusammen mit den vielen tausend Einzelheiten über die Lebensweise der Eingeborenen zu ihrer Zeit, über die kulturgeschichtlichen Hintergründe und all das andere, was WURZELN erst in seiner Gesamtheit die richtige Gestalt gibt, sind das Ergebnis jahrelangen, intensiven Forschens in nahezu fünfzig Bibliotheken, Archiven und sonstigen Quellensammlungen auf drei Kontinenten.
    Da ich ja selbst noch nicht lebte, als das meiste der Geschichte geschah, ist notwendigerweise der überwiegende Teil der Dialoge und des Erzählten eine romanhafte Mischung einmal von Begebenheiten, von denen ich genau weiß, daß sie sich ereignet haben, mit, zum anderen, solchen, von denen ich nach meinen Untersuchungen annehmen darf, daß sie sich so abgespielt haben.
    Ich denke jetzt, daß nicht nur Großmutter, Cousine Georgia und die anderen alten Damen »über mich wachten«, sondern auch alle übrigen: Kunta und Bell, Kizzy, Hühner-George und Matilda, Tom und Irene, Großvater Will Palmer, Bertha, meine Mutter – und nunmehr derjenige, der sich als letzter mit ihnen vereinigt hat, Vater …
    Er war dreiundachtzig. Als wir, seine Kinder George, Julius, Lois und ich, über die Beisetzungsfeierlichkeiten zu reden hatten, kam jeder einzelne von uns zu dem Ergebnis, daß Vater ein erfülltes und ein reiches Leben gelebt hatte, jedenfalls in der Weise, wie er selbst Reichtum zu interpretieren pflegte. Außerdem war er schnell dahingegangen, ohne leiden zu müssen. Und da wir alle Vater nur zu gut kannten, stimmten wir auch darin überein, daß er kaum gewünscht haben könnte, uns weinen zu sehen. So beschlossen wir, daß wir nicht weinen würden.
    Ich war so erfüllt von Erinnerungen, daß es mich unangenehm berührte, den Leichenredner von unserem Vater als von dem »Verstorbenen« reden zu hören, um den herum es doch eigentlich selten wehmütig zugegangen war. Kurz vor der ersten Trauerfeier, die für ihn in einer von Angehörigen und Freunden dichtgefüllten Kapelle in Washington D.C. abgehalten wurde, erklärte mein Bruder George dem verantwortlichen Geistlichen, daß wir Söhne im geeigneten Augenblick gern einige Erinnerungen an Vater mit den Anwesenden teilen würden.
    Nach einem kurzen Gottesdienst herkömmlicher Art sangen wir ein Lieblingslied von Vater. Dann erhob sich George und trat nahe zu dem offenen Sarg. Er erzählte, wie lebhaft er sich daran erinnerte, daß – wo auch immer Vater lehrte – wir in unserem Haus mindestens einen Jungen aufgenommen hatten, dessen auf dem Land lebende Eltern erst von unserem Vater hatten überredet werden müssen, ihren Sohn aufs College zu schicken, wobei der Protest »aber wir haben kein Geld« einfach dadurch beiseite geschoben wurde, daß Vater erklärte: »Er wird bei uns leben!« Mit dem Ergebnis, daß es nun im ganzen Süden an die achtzehn landwirtschaftliche Kreisbeauftragte, Rektoren von höheren Schulen und Lehrer gab, die sich stolz »Prof Haleys Jungens« nannten. George erwähnte auch, wie unmutig Vater sich in seinen späteren Jahren darüber geäußert habe, daß wir keine jährlichen großen Familientreffen veranstalteten, wie er das gern gesehen hätte. So bat er die Zuhörerschaft, mit uns in Gedanken vereint jetzt ein Treffen für Vater und mit ihm zusammen abzuhalten. Als George seinen Platz wieder eingenommen hatte, stand ich auf, ging hinüber, betrachtete Vater und sagte, daß ich als der Älteste noch viel weiter zurückliegende Ereignisse aus dem Leben des dort liegenden Verstorbenen kannte. Zum Beispiel: Der erste deutliche Eindruck meiner Kindheit von Liebe, als ich sah, wie sich Vaters und Mutters Blicke über dem Klavier trafen, wenn Mutter irgendeine kleine Einleitung zu spielen hatte und Vater daneben stand, um auf den Einsatz für sein Kirchenlied zu warten. Eine andere frühe Erinnerung: Wie ich immer einen Groschen oder sogar einen Fünfziger von Vater ergattern konnte, selbst in den schlechtesten Zeiten; ich

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