Wyler, Leana
Können deines Vaters!“
Sie schloss die Augen und zählte stumm bis zwanzig. Wie konnte er es wagen, sich über Gideons Tod lustig zu machen? Ihre Hände kreisten wie von alleine um seine Schultern, während sie versuchte, sich wieder zu beruhigen. Entschlossen presste sie ihre Lippen aufeinander und widmete lieber ihre ganze Aufmerksamkeit seinem muskulösen Rücken. Wenn sie mit kräftigem Druck dessen ganze Länge entlangfuhr, atmete Nottingham geräuschvoll aus. Und sie konnte spüren, wie sich seine Verspannungen lösten. Durch das Öl glitten ihre Hände geschmeidig über seine Haut. Seine Muskeln wurden wärmer und weicher, während sie sie mit geübten Bewegungen sanft knetete und ausstrich. Er lag ruhig da, hatte den Kopf zur anderen Seite gedreht und sein Atem kam regelmäßig. Susannah war heilfroh, dass er den Mund hielt und sich lieber den Berührungen hingab. Ihre Hände wanderten in einem gleichmäßig Takt hinauf und herunter, wurden langsamer, lagen schließlich auf seinen Schultern.
Sie wunderte sich. Seine Entspannung war wirklich schnell und tief gegangen dieses Mal.
Oder?
Er war doch wohl nicht…?
Sie nahm ihre Finger vorsichtig von ihm weg und wartete darauf, barsch zurechtgewiesen zu werden. Aber er blieb stumm.
Ein zufriedenes Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
Ganz bedächtig beugte sie sich über ihn, um sein Gesicht sehen zu können. In der Tat, er war eingeschlafen!
Was so ein Schuss beruhigender Lavendel doch ausmachte. Bisher hatte sie das nur bei unruhigen und quengeligen Schreikindern angewandt – doch wenn sie es sich genau überlegt, so unähnlich war der Sheriff diesen gar nicht.
Sie lachte lautlos und betrachtete seine schlafende Gestalt. Eins musste man ihm zugestehen, er hatte einen recht ansehnlichen Körper. Auch sein Gesicht war, wenn er keine Zornesfalte auf der Stirn trug, durchaus nicht hässlich. Die schwarzen Haare verliehen ihm natürlich ein finsteres Aussehen. Sie betrachtete seinen Mund, dessen Lippen einen weichen Schwung aufwiesen und nicht recht zu den kantigen Zügen passten. Wenn er schlief, sah er gar nicht so bedrohlich aus. Aber wehe, man weckte die Bestie!
Äußerst leise und vorsichtig packte Susannah ihre Sachen zusammen und schlich aus dem Zimmer. Kurz danach saß sie auf ihrem Pferd und hielt ihr Gesicht in die kühle Nachtluft. Sie atmete ganz tief ein und genoss die Freiheit dieser geschenkten Nacht. Ob er zornig werden würde, wenn er aufwachte und sie nicht mehr vorfand? Andererseits konnte er sich nicht beschweren, sie hatte ihm mit Sicherheit einen entspannten Schlaf geschenkt. Und wer wusste schon, ob es ihm überhaupt recht gewesen wäre, wenn sie sich neben ihn gebettet hätte, immerhin war sie nur eine einfache Hebamme. Die Mägde, über die er herfiel, schickte er schließlich auch nach getanen Diensten wieder fort aus seinen Gemächern.
Am Haus angekommen, nahm sie ihrem Pferd an der Stalltür Sattel und Zaumzeug ab und schickte es hinein. Die Sachen aufräumen würde sie morgen früh, jetzt war sie viel zu müde.
Gähnend ging sie auf das Haus zu. Ihre Müdigkeit war jedoch wie weggeblasen, als sie innen einen schwachen Lichtschein erkannte. Entsetzt blieb sie stehen. War Nottingham ihr gefolgt? Auf einem anderen Weg? Wutschnaubend, weil sie ihn nicht gemäß seiner Vorstellungen befriedigt hatte? Und nun saß er im Haus und wartete wie die Spinne im Netz, bis sie eintreten würde. Doch wo sollte sie hin, wegzulaufen vor ihm ergab wenig Sinn. Sie zitterte und schlang ihre Arme um den Körper. Die Nachtluft kam ihr plötzlich eiskalt vor. Abwartend stand sie vor der Haustür und versuchte krampfhaft, einen vernünftigen Gedanken zu fassen.
Da wurde die Tür aufgerissen. Sie stieß einen spitzen Schrei aus. Gleich würde er sie packen und …
„Susannah, bist du das?“, rief eine wohlbekannte Stimme.
Sie atmete erleichtert aus und ging auf den Mann zu, der im Türrahmen stand. „Vater, wann bist du denn zurückgekommen?“
Nach einer herzlichen Umarmung nahmen sie beide am Küchentisch Platz. Sie hatte sich selten so gefreut, das alte, von Lachfalten durchzogene Gesicht ihres Vaters zu sehen. Susannah legte ihre Hand auf seinen Unterarm, als er erzählte. Wie immer in seiner lebhaften und fröhlichen Art.
„Ich bin vor einer Stunde angekommen. Und ich habe einen ganzen Sack voll Heilkräutern, Tinkturen und einiges an neuer Medizin dabei. Du wirst staunen. Übrigens habe ich einen netten jungen Werkzeugmacher
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