Wyler, Leana
kennengelernt, der wird dir gefallen. Er wird uns demnächst zum Abendessen besuchen.“
Susannah verdrehte die Augen angesichts der unermüdlichen Verkupplungsversuche ihres Vaters. Er gab die Hoffnung nicht auf, sie unter die Haube zu bringen. Dabei war sie ganz glücklich so, wie es war. Den meisten Männern wäre sie sowieso viel zu frei denkend, die kamen mit einer wie ihr doch gar nicht zurecht.
„Sag mal Kind, wo warst du denn eigentlich heute Abend?“, wollte er wissen.
„Ach, ich habe noch bei einer Schwangeren vorbeigeschaut und mich ein wenig länger unterhalten.“
„Dein Hörrohr und die anderen Utensilien waren aber hier.“
Mist, er merkte auch alles. Ohne diese Sachen machte sie sonst nie Krankenbesuche bei den Frauen. Sie suchte fieberhaft nach einer guten Ausrede.
Die grauen Augen ihres Vaters musterten sie. „Warst du etwa in Liebesangelegenheiten unterwegs?“
„Oh nein!” Sie schüttelte entsetzt den Kopf. Das nun wirklich nicht!
„Das wäre aber ein komischer Liebhaber, der mich nachts allein durch die Gegend jagt, meinst du nicht?“, sagte sie und lachte dabei.
Sein Blick wurde durchdringender. „Du hast dich doch nicht etwa der Truppe von diesem Robin von Locksley angeschlossen? Das ist viel zu gefährlich für eine Frau.“
„Wo denkst du hin! Mit Robin habe ich wirklich gar nichts zu tun!“ Eher mit dem Gegenteil, aber wie hätte sie das jetzt ihrem Vater erklären sollen?
Er schien noch nicht ganz überzeugt. „Also wenn ich nicht wüsste, dass du mir immer die Wahrheit sagst, würde ich mir in der Tat Gedanken machen.“
„Vater, glaub es mir, heute Nacht hab ich nur mein Lavendelöl aus der Tasche gezogen und damit für ein wenig Entspannung gesorgt. Ganz harmlos.“
Das war ja schließlich nicht gelogen.
3 Der Kuss des Sheriffs
Jolandas Schreie hallten laut durch die karge Hütte. Sie lag auf dem Bett, eine alte Decke unter sich, und wälzte sich vor Schmerzen hin und her.
„Verdammt, dieses Kind hat genau so einen dicken Sturschädel wie sein Vater!“, ächzte sie.
Susannah strich ihr mit einem nassen Lappen den Schweiß von der Stirn und dann sich selbst mit ihrem Ärmel. Diese Niederkunft verlief äußerst schwierig und sie machte sich ernsthaft Sorgen, ob Jolanda ihren fünften Sprössling heil zur Welt bringen würde. Das Kind war quer gelegen, doch als die Fruchtblase geplatzt war, hatte Susannah es mit geübtem Griff ein Stück weit drehen können. Aber ob es richtigherum rauskommen würde? Nach stundenlangen Wehen war jetzt endlich die Zeit zum Pressen erreicht, es konnte nun gefährlich werden für Mutter und Kind. Sie konnte nur hoffen, dass es nicht mit dem kleinen Hinterteil nach unten drückte, sondern mit einem Arm oder Fuß herauskam, wenn schon nicht mit dem Kopf. Susannah tupfte Jolandas Gesicht nochmals ab und schickte ein Stoßgebet zum Himmel.
Es polterte an der Tür.
Wahrlich, ein gut gewählter Zeitpunkt für einen Besuch! Susannah zog die Stirn in Falten und versuchte, nicht darauf zu achten. An Jolandas Miene sah sie, dass wieder eine Wehe heranrollte.
Das Klopfen wurde lauter. Dann wurde die Tür aufgerissen und eine herbe Männerstimme meldete sich. „Hebamme, wir wissen, dass Ihr da drinnen …”
„Aaaaaaah“ Jolanda hatte keine Mühe, den Kerl zu übertönen.
Susannah schenkte den Vorgängen an der Tür keine große Beachtung, denn endlich bekam sie einen Fuß des Kindes zu fassen. Im Verlauf der Wehe zog sie das Füßchen vorsichtig ein wenig weiter nach unten, dann kehrte eine kurze Pause ein, in der die Gebärende Luft holen konnte.
Als sie sich umdrehte, sah sie, dass zwei Soldaten eingetreten waren, sichtlich peinlich berührt von dem Anblick, der sich ihnen bot. Unsicher blieben sie an der Tür stehen. Als Susannah aufstand und mitsamt ihrer alten, blutverschmierten Schürze auf die beiden zuging, blickten die Männer sie voll Abscheu an und wichen ein wenig zurück.
„Der Sheriff wünscht dich umgehend zu sehen“, stellte einer der beiden klar.
Welch Überraschung! Susannah strich sich eine Strähne hinters Ohr.
„Sagt dem Sheriff, ich bin beschäftigt!“, erklärte sie und wandte sich wieder Jolanda zu.
Die Soldaten machten jedoch keinerlei Anstalten, die Hütte zu verlassen.
Susannah seufzte. Zweifelsohne hatten die beiden die klare Anweisung, die Hebamme mit aufs Castle zu bringen. Sie musste also eine andere Taktik wählen.
Entschlossen dreht sie sich zu den Wachen um.
„Wenn diese Frau die Geburt nicht
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