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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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an der Tür zu stoßen, war aber dabei so ungeschickt, dass ihm einige seiner gerade erst zusammengesuchten Papiere wieder entglitten und zu Boden fielen. Coppelstone fluchte erneut und noch lauter und bückte sich hastig, und die abrupte Bewegung war offensichtlich zu viel für seine Nase: Ein einzelner Blutstropfen lief hinaus und fiel zu Boden.
    Und verschwand.
    Coppelstone blinzelte. Er hatte den Weg des Blutstropfens aufmerksam verfolgt, weil er fürchtete, er könnte eines seiner Blätter treffen und einen hässlichen Fleck darauf hinterlassen, doch er hatte das Blatt verfehlt und hätte eigentlich auf dem schwarzen Asphalt deutlich sichtbar sein müssen. Aber er war es nicht. Der Teer hatte den Tropfen aufgesaugt wie ein Schwamm. Vorsichtig tastete Coppelstone mit den Fingerspitzen danach und stellte eine zweite Besonderheit fest: Der Teer fühlte sich nicht an, wie er sollte. Er sah aus, als wäre er hart und körnig, mit unzähligen winzigen spitzen Einschlüssen durchsetzt, die das Gehen darauf, vor allem an heißen Tagen, sehr unangenehm machen mussten, und er fühlte sich definitiv ganz anders an, als er es gewohnt war. Weich und trotzdem fest, fast samtig, ja … beinahe lebendig.
    Die Vorstellung machte Coppelstone aus irgendeinem Grunde Angst, sodass er den Gedanken hastig verscheuchte und sich wieder aufrichtete. Da seine Nase immer noch blutete, ging er wieder zur anderen Seite des Wagens zurück und suchte nach dem Taschentuch, das er vielleicht ein wenig vorschnell weggeworfen hatte.
    Er fand es nicht.
    Er hatte das Tuch einfach hinter sich geschmissen, weshalb er nicht genau sagen konnte, wo es liegen musste, aber auf dem schwarzen Teerband hätte es eigentlich sofort auffallen müssen. Doch obwohl er sehr aufmerksam danach suchte, blieb es verschwunden. Dafür gewahrte er eine andere Besonderheit, die ihm bisher noch gar nicht aufgefallen war: Die Straße, die sich in so sinnlosen Kehren und Schleifen durch das Gelände wand, befand sich in einem mehr als erbärmlichen Zustand. Die Schlaglöcher waren teilweise so tief, dass man einen ausgewachsenen Schäferhund darin hätte verstecken können, und einige der Risse und Spalten hatten vergleichbare Dimensionen. Auch die Straßenränder waren abgebröckelt und rissig – aber nirgends war auch nur ein einziger Grashalm zu sehen. Kein Grün. Nicht ein einziger Pilz, nicht das winzigste Fleckchen Moos.
    Ein sehr sonderbares Gefühl begann von Coppelstone Besitz zu ergreifen. Wenn es etwas gab, wovon er etwas verstand, dann waren es Straßen. Er hatte oft genug gesehen, was die Natur einer von Menschenhand geschaffenen Straße anzutun vermochte, und er wusste auch, dass sie manchmal in nur wenigen Jahren gewaltige Konstruktionen aus Beton und Stahl zu zerstören imstande war, von denen ihre Konstrukteure behaupteten, sie seien für die Ewigkeit gemacht. Was ihn verblüffte, war somit keineswegs das Ausmaß der Zerstörung, die er sah. Es war die vollkommene Abwesenheit der Kraft, die für diese Verheerung normalerweise verantwortlich war. Er hatte Straßen aus anderthalb Fuß dickem Teer gesehen, die von einem harmlosen Grashalm gesprengt worden waren, und winzige Pilze, die sich beharrlich durch anderthalb Meter dicken Boden gewühlt hatten.
    Hier war nicht die geringste Spur von Leben zu sehen.
    Mehr noch: Als er den Straßenrand genauer in Augenschein nahm, fiel ihm auf, dass es auch dort keinerlei Vegetation gab. Bäume und Unterholz wucherten bis auf eine Distanz von vielleicht einem Yard an das schwarze Teerband heran, dann jedoch waren nur noch einige kümmerliche Moose und Flechten zu sehen und ein paar vereinzelte Grashalme. Ein gut handbreiter Streifen Boden unmittelbar neben der Straße schließlich war vollkommen kahl.
    Coppelstones Laune verdüsterte sich noch mehr, als ihm schlagartig die Erklärung für dieses vermeintliche Rätsel einfiel. Als Kartograf und ausgebildeter Ingenieur für Straßenbau wusste er natürlich, dass es in der Vergangenheit verschiedene Versuche gegeben hatte, dem Straßenbelag gewisse Chemikalien beizumengen, die ebenjenen zerstörerischen Effekt verhindern sollten, indem sie alles Lebendige abtöteten. Diese Experimente waren jedoch sehr rasch wieder eingestellt worden, als sich herausstellte, dass der Nutzen gleich null und die Nebenwirkungen geradezu katastrophal waren; von den Kosten ganz zu schweigen. Offensichtlich befand er sich hier genau auf einem dieser fehlgeschlagenen Experimente . Seltsam war

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