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Xeelee 1: Das Floss

Xeelee 1: Das Floss

Titel: Xeelee 1: Das Floss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Schwarzen Lochs spektakulär genug sein wird…«
    Hollerbachs pergamentartige Wangen röteten sich vor Eifer. »Weit mehr als das. Habe ich dir jemals meine Theorien zur Gravitationschemie dargelegt? Habe ich das?« Hollerbach schaute enttäuscht drein ob der Kürze seiner Vorlesung, aber Rees ließ ihn weitermachen; er war dankbar für die paar Minuten, in denen er wieder Student sein konnte wie damals, als Hollerbach und die anderen Dozenten ihnen in jeder Schicht die Mysterien der vielen Universen nahegebracht hatten.
    »Du wirst dich an meine Überlegungen zu einer neuen Art ›Atom‹ erinnern«, begann Hollerbach. »Seine Subpartikel – vielleicht selbst schon Singularitäten – werden eher durch die Gravitation als durch die anderen Fundamentalkräfte zusammengehalten. Unter den entsprechenden Bedingungen, der erforderlichen Temperatur und Druck sowie den richtigen Gravitationsgradienten wäre eine neue ›Gravitations-Chemie‹ denkbar.«
    »Im Kern«, erkannte Rees.
    »Ja!« bestätigte Hollerbach. »Bei unserem Vorbeiflug am Kern werden wir ein neues Universum beobachten, mein Freund, eine neue Phase der Schöpfung, in der…«
    Über Hollerbachs Schulter hing ein breites, blutiges Gesicht. Rees runzelte die Stirn. »Was willst du, Roch?«
    Der große Mineur grinste. »Ich wollte nur darauf hinweisen, daß euch noch etwas fehlt. Seht her.« Er zeigte mit dem Finger.
    Rees drehte sich um. Zunächst konnte er nichts Ungewöhnliches erkennen – als er dann aber die Augen zusammenkniff, ortete er einen bräunlichen Fleck im nach oben wegstrebenden Regen der Sterne. Er war zu weit entfernt, um Details auszumachen, aber die Erinnerung ergänzte den Rest; und wieder sah er eine Oberfläche aus Haut, die sich über Knochen spannte, weiße Gesichter, die auf einen entfernten Fleck in der Luft gerichtet waren…
    »Die Boneys«, meinte er.
    Roch öffnete seinen zerschlagenen Mund und lachte; Hollerbach wich angewidert zurück. »Deine Heimat, Rees«, sagte Roch heiser. »Willst du nicht mal vorbeischauen und alte Freunde begrüßen?«
    »Roch, geh zurück an deine Arbeit.«
    Roch lachte erneut auf und folgte der Anweisung.
    Rees starrte einige Minuten lang auf die Hülle, bis die Miniaturwelt der Boneys im Dunst weit oben verschwunden war. Noch ein Teil seines Lebens unwiederbringlich verloren…
    Erschauernd wandte er sich vom Fenster ab und tauchte wieder mit Hollerbach in das Gewimmel und die Wärme der Brücke ein.
    Fast antriebslos stürzte das havarierte alte Schiff mit seiner verletzlichen menschlichen Fracht, die in seinem Innern umherwuselte, dem Schwarzen Loch entgegen.

    Der Himmel draußen wurde dunkel und füllte sich mit den phantastischen, gewundenen Sternskulpturen, die Rees schon auf seiner ersten Reise in diese Tiefen bewundert hatte. Die Wissenschaftler ließen die Hülle im durchsichtigen Zustand; Rees hoffte, daß dies die hilflosen Passagiere von den zunehmenden Beschwernissen der Fahrt ablenken würde. Und so kam es auch; im Verlauf der Schichten verbrachten immer mehr Leute ihre Zeit an den großen Fenstern, und auf dem Schiff breitete sich eine Stimmung der Ruhe, ja der Ehrfurcht aus.
    Jetzt, als die dichteste Annäherung an den Kern in knapp einer Schicht bevorstand, näherte sich die Brücke einer Walschule; und die Fenster waren mit menschlichen Gesichtern übersät. Vorsichtig machte Rees Platz für Hollerbach, und Seite an Seite schauten sie nach draußen.
    Auf diese Entfernung wirkte jeder Wal wie eine dünne Rakete, wobei ihr geschrumpftes Fleisch eine aerodynamische Hülle um die inneren Organe bildete.
    Sogar die großen Augen waren geschlossen, so daß die Wale blind dem Kern entgegenfielen – und sie waren in so vielen Reihen über, unter und um die Brücke herum gestaffelt, so viele, daß sie einen Horizont aus blassem Fleisch bildeten.
    »Wenn ich gewußt hätte, daß es so spektakulär werden würde, wäre ich damals bei ihnen geblieben«, murmelte Rees.
    »Dann würdest du nicht überlebt haben«, sagte Hollerbach. »Schau gut hin.« Er deutete auf den nächsten Wal. »Siehst du, wie er glüht?«
    Rees bemerkte ein rosafarbenes Glühen am Kopf des Wals. »Der Luftwiderstand?«
    »Offensichtlich«, bestätigte Hollerbach ungeduldig. »In diesen Tiefen ist die Atmosphäre viskos wie Suppe. Aber sieh weiter hin.«
    Rees hielt den Blick auf den Kopf des Wals gerichtet – und wurde mit dem Anblick eines sich entflammenden, zwei Meter großen Stücks Walhaut belohnt, das von

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