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Xeelee 1: Das Floss

Xeelee 1: Das Floss

Titel: Xeelee 1: Das Floss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Sie war verlassen, wie er es erwartet hatte. Die ganze Schicht würde für die Trauerfeier draufgehen; frühestens in zwei oder drei Stunden würden die trübe dreinblickenden Arbeiter der nächsten Schicht eintreffen.
    Die Station war nicht viel mehr als eine weitere würfelförmige, eiserne Hütte, die in den Gürtel eingelassen war. Sie wurde beherrscht von einer riesigen Trommel, um die ein dünnes Kabel gewickelt war. Die Trommel lief in einem Windenmechanismus, der aus irgendeinem rostfreien Material gefertigt war; an dem Kabel hing ein schwerer Stuhl mit großen, enorm breiten Rädern. Am oberen Ende des dick gepolsterten Stuhls befand sich eine Hals- und Nackenstütze. An einem Ende der Trommel war an einer Strebe eine Steuerkonsole angebracht. Die Konsole war armbreit und mit faustgroßen Schaltern und Schaltflächen bestückt, deren Funktionen durch Code-Farben gekennzeichnet waren. Rees wählte schnell die Option ›Abwärts‹, und die Windentrommel begann zu vibrieren.
    Er schlüpfte auf den Stuhl, wobei er darauf achtete, die Kleidung an seinem Rücken und unter seinen Beinen zu glätten. Auf der Oberfläche des Sterns konnte eine Falte in der Kleidung schneiden wie ein Messer. Ein rotes Licht leuchtete auf der Konsole auf, warf düstere Schatten, und der Kabinenboden glitt mit einem leisen Quietschen beiseite. Der alte Mechanismus arbeitete mit einem Chor von Kratz- und Quietschgeräuschen. Die Trommel drehte sich, und das Kabel begann sich abzuwickeln.
    Mit einem Ruck schlüpfte Rees durch den Boden der Station und in die dichte Wolke hinein. Der Stuhl wurde von dem Führungskabel hinuntergezogen; er wußte, daß die Strecke über hundert Meter durch den Nebel zur Oberfläche des Sterns führte. Das vertraute Gefühl der variierenden Schwerkraft zog an seinem Bauch wie sanfte Hände. Der Gürtel rotierte ein bißchen schneller als seine Orbitalgeschwindigkeit – um die Kette der Kabinen zusammenzuhalten – und einige Meter unter dem Gürtel wurde die Zentripetalkraft schwächer, so daß Rees für kurze Zeit durch wirkliche Schwerelosigkeit schwebte. Dann tauchte er in den Gravitationsbereich des Sternenkerns ein, wodurch sein Gewicht schnell zunahm und sich wie eine Eisenplatte über Brust und Bauch legte.
    Trotz der wachsenden Unbequemlichkeit fühlte er sich in gewisser Weise erleichtert. Er fragte sich, was seine Arbeitskollegen denken würden, wenn sie ihn jetzt sehen könnten. In einer Freischicht in die Mine einfahren… und wozu? Um mit einem Maulwurf zu reden?
    Das ovale Gesicht von Sheen tauchte vor ihm auf, intelligent, skeptisch und pragmatisch.
    Er fühlte, wie seine Wangen rot wurden, und auf einmal war er froh, daß sein Abstieg von dem Nebel verborgen wurde.
    Rees tauchte aus dem Nebel auf und erblickte den Sternenkern. Er war eine poröse, eiserne Kugel mit fünfzig Metern Durchmesser, auf dem die Arbeit menschlicher Hände und Maschinen sichtbare Kratzspuren hinterlassen hatte. Das Förderkabel – und die anderen, die gleichmäßig um den Gürtel geschlungen waren – kratzten mit einer Geschwindigkeit von einigen Metern pro Sekunde um den eisernen Äquator herum.
    Seine Abwärtsfahrt verlangsamte sich; er stellte sich die Winde vor, die ihn aus einer Höhe von vierhundert Metern vor der Anziehungskraft des Sternes schützte. Sein Gewicht nahm jetzt schneller zu und näherte sich dem fast unerträglichen Wert von fünf Gravos. Die Räder des Stuhls begannen schwirrend zu rotieren; dann setzten sie vorsichtig auf der sich bewegenden eisernen Oberfläche auf. Es gab einen Stoß, der ihm den Atem nahm. Das Kabel löste sich schnell, wippte zurück und verschwand im Nebel. Der Stuhl rollte langsam aus und brachte Rees ein paar Meter vom Verlauf des Kabels weg.
    Einige Minuten lang saß Rees still in dem verlassenen Stern und wartete, bis sein Puls sich beruhigt hatte. Nacken, Rücken und Beine waren bequem in den tiefen Polstern positioniert, ohne irgendwelche den Blutkreislauf behindernden Haut- oder Kleidungsfalten. Vorsichtig hob er die rechte Hand; es fühlte sich an, als ob Eisenbänder seinen Unterarm festhielten, aber er konnte trotzdem das in die Stuhllehne integrierte Steuerungsfeld ertasten.
    Er drehte den Kopf ein paar Grad nach rechts und nach links. Sein Stuhl stand isoliert inmitten einer Eisenlandschaft. Dicker Rost bedeckte die Oberfläche, die von einigen Zentimeter tiefen Dellen und winzig kleinen Kratern übersät war. Der Horizont war nicht mehr als ein Dutzend

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