Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit
selbst noch einmal zu untersuchen. Statt dessen verzog sie keine Miene und grub die Fingernägel in die Handfläche; bald spürte sie Blut auf dem Handgelenk.
Parz lächelte sie mit einem weichen Blick aus seinen grünen Augen an. »Miriam. Sie – Michael und Harry – haben einen Plan ausgearbeitet. Sie werden das Wrack des Spline dazu benutzen, das Wurmloch-Interface zu schließen und so das Risiko weiterer Einfälle aus der Zukunft der Qax-Besatzung zu eliminieren. Oder aus jeder anderen Zukunft überhaupt.«
»Und sie sind an Bord geblieben. Beide.«
Parz’ Gesicht war fast übertrieben feierlich. »Ja. Michael ist sehr mutig, Miriam. Ich glaube, es sollte dich trösten, daß…«
»Steck dir das sonstwohin, du prätentiöser alter Furz.« Berg wandte sich Shira zu. »Warum, zum Teufel, hat er nicht wenigstens noch einmal mit mir gesprochen? Er hat seine Funkgeräte zerstört, nicht wahr? Warum? Weißt du es?«
Shira hob die Schultern, wobei ihre prinzipielle Indifferenz noch immer von einer Spur menschlichen Mitgefühls überlagert wurde. »Weil er Angst hatte.«
»Parz bezeichnet ihn als mutig. Du nennst ihn einen Feigling. Wovor hat er Angst?«
Shiras Mund verzog sich. »Vielleicht vor dir ein bißchen. Aber am meisten vor sich selbst.«
Parz nickte. »Ich glaube, daß sie recht hat, Miriam. Ich glaube nicht, daß Michael seine Entschlossenheit aufrechterhalten könnte, wenn er mit dir sprechen würde.«
Berg fühlte, wie sie von Zorn und Frustration durchflutet wurde. Natürlich hatte sie auch früher schon Menschen sterben sehen; und ihre noch existenten Erinnerungen an diese Zeiten waren immer mit einer immensen Frustration wegen nicht zu Ende gebrachter Angelegenheiten erfüllt gewesen – persönlicher und sonstiger. Es gab immer noch so viel zu sagen, das nun nicht mehr gesagt werden konnte. Auf eine gewisse Weise war das hier noch schlimmer, realisierte sie; dieser Bastard war zwar noch nicht einmal tot, aber schon so unerreichbar, als ob er bereits im Grab liegen würde. »Das ist ein verdammt lausiger Trost.«
»Aber«, stellte Jasoft Parz fest, »es ist alles, was wir dir anbieten können.«
»Ja.« Sie schüttelte den Kopf und versuchte, wieder einen klaren Gedanken zu fassen. »Gut, wir können genausogut gehen und uns das Feuerwerk ansehen. Kommt. Und dann laßt uns mal nachsehen, ob es auf diesen Schrottfrachtern auch Duschkabinen gibt.«
Die Brücke des Frachters war mit allem möglichen Zeug zugestellt, und jede ebene Oberfläche war mit auf Klebezettel gekritzelten Notizen beschichtet. Nur das majestätische Licht des Jupiter, das durch ein Sichtfenster in diesen schmutzigen Ort flutete, verlieh dem Platz einen Anhauch von Würde. Die Gebrüder D’Arcy, fett, mondgesichtig und einander irritierend ähnlich, schauten von ihren Steuersesseln aus zu, als Berg ihr bizarres Gefolge auf die Brücke führte. »Jasoft. Shira. Ich darf euch euren Urgroßeltern vorstellen«, grummelte Berg.
Dann wandte sich Miriam von dem Kleeblatt, das sich vorsichtig beäugte, ab und blickte durch das Sichtfenster zum Zenit hoch. Vor der Masse des Jupiter hing das Gitter des Interface-Portals wie ein pyramidenförmiger Bleistift; und das Spline-Kriegsschiff, in dem das Wrack der Crab selbst auf diese Distanz noch klar erkennbar war, hing wie eine geballte Faust vor der geometrischen Eleganz des Portals.
Sie beobachtete, wie das Kampfschiff in das Interface eindrang; blutrote Funken hüllten den Spline dort ein, wo der zerschlagene Kadaver an dem Portalrahmen aus exotischer Materie entlangschrammte.
Berg wollte schon eine Hand zum Abschied heben.
Die Funken stoben, bis der Spline außer Sicht war.
Miriam schloß die Augen.
15
DIE LEBENSKUPPEL DER Crab wurde von der näherkommenden Dunkelheit des Interface-Portals geschluckt. Michael, der durch die Kuppel nach oben schaute, fühlte sich auf einmal ganz klein.
Blauviolette Flammen schlugen aus dem Rand der Lebenskuppel; es war, als ob Michaels begrenzter Horizont überall durch multiple Sonnenaufgänge erhellt würde. Harry, der auf der Couch neben Michael saß, schaute ängstlich herüber. »Das ist die Hülle des Spline, die mit dem Gitter aus exotischer Materie kollidiert«, meinte Michael. »Das muß wohl einen großen Schaden anrichten. Harry, bist du…«
Die holographische Projektion von Harry Poole riß den Mund weit auf – unmöglich weit – und schrie; der Klang war ein unmenschliches Zirpen, das auf dem Frequenzband nach oben
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