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Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit

Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit

Titel: Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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fixieren, daß sie – mit etlichem Glück – den Augapfel tangential anschneiden und die Linse beseitigen konnte, ohne daß der Strahl zu weit in das bewohnte Innere des Auges eindrang. Als der Laser endlich ausgerichtet war, schwamm sie hinüber, preßte das Gesicht so dicht wie möglich an die sich eintrübende Linse und spähte ins Innere. Es waren zwei Leute darin, die durch die halbdurchsichtige, tote Linse fast auf das Format von Strichmännchen reduziert wurden. Mit der flachen Hand schlug sie auf die Oberfläche der Linse – und brach durch eine krustenartige Oberfläche und versank in einer dicken, fauligen Masse; sie riß die Hand heraus und schüttelte die daran hängenden Fleischreste ab. »Geht von der Linse weg!« Sie schrie und formte die Worte mit übertrieben wirkenden Lippenbewegungen und winkte dazu mit einer wischenden Geste.
    Die zwei unidentifizierbaren Passagiere verstanden die Botschaft; sie zogen sich von der Linse in die wirbelnden Schatten zurück.
    Darauf bedacht, nicht noch einmal die fleischigen Teile zu berühren, bewegte sich Berg zu ihrem Laser zurück. Sie betätigte die Kontrollen und stellte den Streubereich auf fünf Meter ein. Ein geometrisch perfekter, blaupurpurner Lichtstrahl schoß hervor und streifte fast die trübe Linse; Berg achtete darauf, daß die Kohärenz so niedrig war, daß der Strahl nicht mehr als einen daumengroßen Lichtpunkt auf die entgegengesetzte Wand des Laderaums warf.
    Mit einer vorsichtigen Führung des Lasers richtete sie den Strahl nach unten. Als die trübe Linse von dem Laserstrahl in Brand gesetzt wurde und zusammenschrumpelte, entwich bräunliche Luft aus dem Augapfel, die sich schnell in der Atmosphäre des Frachtraums verteilte; und ein weiteres Aroma addierte sich zu dem Geruchsspektrum in Bergs Nase – komischerweise roch es gar nicht mal allzu unangenehm, ein bißchen wie frisches Leder.
    Eine Scheibe Linsenmaterie fiel ab, so säuberlich herausgeschnitten wie die Trennfuge einer Luke. Tröpfchen irgendeiner Flüssigkeit schwebten vom Rand der entfernten Linse in die Luft und verbanden die abgelöste Scheibe durch eine Kette klebriger, spinnennetzartiger Fäden.
    Sie konnte noch immer nicht in das Innere der fleischigen Kugel sehen; und aus der Kammer, die sie freigelegt hatte, kam kein Laut.
    Berg stellte den Laser ab. Geistesabwesend griff sie nach dem abgelösten Linsenmaterial und zog es von der improvisierten Luke weg; die Schleifen aus entoptischer Materie dehnten sich und zerrissen, und sie schleuderte die Scheibe entschlossen weg.
    Dann, unfähig, an etwas anderes zu denken und die von ihr geschaffene Öffnung zu betreten, schwebte sie in der Luft und starrte auf die klinisch saubere, leckende Kante der Öffnung.
    Dürre Hände kamen zum Vorschein und packten unsicher die Kante. Dann erschien der kleine, schmale Kopf von Jasoft Parz in der Luft der Narlikar. Er erblickte Berg, nickte in einer komischen, steifen Höflichkeit, und schwang – wahrlich nicht elegant – die gekrümmten Beine aus der Öffnung. Er erzitterte leicht in der frischen Luft außerhalb des Augapfels; er war barfuß und steckte in einem verschlissenen, schmutzigen Anzug – einem von Michael, wie Berg erkannte. Parz schien zu versuchen, sie anzulächeln. Er schwebte in der Luft und hielt sich wie eine dicke Spinne mit einer Hand an der Öffnung fest. »Das ist schon das zweite Mal, daß ich aus dem Auge eines Spline herausgeholt worden bin, dem Tod entronnen«, sagte er. »Danke, Miriam, es ist schön, dich in natura anzutreffen.«
    Berg verschlug es die Sprache.
    Jetzt tauchte eine zweite Gestalt aus dem Auge auf. Bei ihr handelte es sich um das Wigner-Mädchen Shira, die – wie Berg – in die zerlumpten Überreste einer Wigner-Montur gehüllt war. Das Mädchen hockte auf der Abbruchkante der Öffnung und überflog kurz mit ausdruckslosem Gesicht das Innere des Laderaums. Sie sah Berg an. »Miriam. Ich hätte nicht erwartet, dich noch einmal wiederzusehen.«
    »Nein.« Berg mußte sich die Worte abringen. »Ich…«
    Etwas wie Mitleid stand in Shiras Augen – das größte Indiz menschlicher Wärme, das Miriam jemals in diesem kalten, totenkopfartigen Gesicht ausgemacht hatte – und Berg haßte sie deswegen. »Es ist sonst niemand da, Miriam«, sagte die Freundin. »Es sind nur wir beide. Tut mir leid.«
    Berg hätte Shiras Worte am liebsten überhört, sich an diesen erschöpften Fremden vorbeigeschoben und kopfüber in den Augapfel gestürzt, um ihn

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