Xeelee 3: Ring
fragte Louise.
Er drehte sich zu ihr um. »Planeten sind ineffizient, Louise. Oh, sie sind wohl bequeme Plattformen, wenn sie bereits existieren. Aber – einen Planeten erschaffen? Warum sollte man die ganze mühevoll gewonnene Materie denn unter der bewohnbaren Oberfläche vergraben?«
Louise ertappte sich dabei, wie sie die Stirn runzelte; sie wußte, daß Mark sie auf eine enervierende Art angrinste. »Aber was wäre dann die Alternative?«
»Wir können Strukturen im Raum konstruieren«, entgegnete Morrow. »Ringe, Hohlkugeln – der Punkt ist, den verfügbaren Lebensraum für eine gegebene Population zu maximieren – ihn so weit wie möglich auszudehnen. Louise, ein sphärischer Planet bietet nur ein Minimum an Fläche für eine gegebene Anzahl von Menschen.«
Louise musterte Morrow neugierig. Die Raumkrankheit stand ihm noch immer in seinem blassen, schmalen Gesicht geschrieben, aber dennoch sprach er mit einer Energie und Klarheit, die sie nie für möglich gehalten hätte, als sie ihm kurz nach seinem Abstieg von den Decks zum ersten Mal begegnet war. War es möglich, daß die Jahrhunderte der körperlichen und seelischen Unterdrückung, die er dort erlitten hatte, nun langsam ihre Wirkung verloren?
Mark lächelte ihr zu. »Du solltest dich lieber damit auseinandersetzen, Louise. Du und ich, wir sind auf Planeten aufgewachsen und denken daher in den Kategorien, das Verlorene wieder aufzubauen. Wir sollten besser zur Seite treten und die Zukunft diesen brillanten jungen Leuten überlassen.«
Sie erwiderte sein Grinsen. »Gut«, flüsterte sie, »ich gehe mit dir konform. Aber – Morrow als ein brillanter junger Mann?«
»Vielleicht werden wir auch nur Schiffe bauen«, spekulierte Seilspinnerin begeistert. »Ganze Flotten. Wir könnten einfach nur fliegen; denn wer muß schon irgendwo landen? Wir könnten dort draußen expandieren. Vielleicht sind die Xeelee auch schon hier – schließlich sind wir ja durch ihr Tor gekommen. Wir könnten uns auf die Suche nach ihnen machen…«
Mark kratzte sich am Kinn. »Das ist eine gute Agenda, Seilspinnerin. Weißt du, Garry Uvarov wäre sicher stolz auf dich.«
Sie funkelte ihn an. Sie entzog Louise ihre Hände, und für einen Moment – mit dem roten Streifen im Gesicht und der Brille, in der sich das Licht der Neuen Sonne spiegelte – erinnerte Seilspinnerin Louise wieder an das wilde kleine Mädchen, das sie einmal gewesen war.
»Vielleicht wäre er das«, erwiderte sie. »Aber was soll’s? Ich bin schließlich kein Produkt von Garry Uvarov. Uvarov war doch ein irrer Despot.«
Louise hob die Schultern. »Vielleicht war er das zuletzt wirklich – und kapriziös. Aber er war auch weitsichtig und ein ›Bilderstürmer‹. Er hat in jeder Situation dafür gesorgt, daß wir uns der Wahrheit stellten, egal, wie unbequem sie auch war…«
Uvarov hatte es nicht verdient, blind und einsam in einer entfernten, toten Zukunft zu sterben.
Vielleicht waren auch Uvarovs Motive bezüglich seines großen eugenischen Experiments richtig gewesen. Nicht jedoch seine Methoden… Aber vielleicht war eine natürliche, technologieunabhängige Unsterblichkeit ein wertes Ziel für die Spezies.
Louise wußte, daß sie und ihre Besatzung sich intensiv bemüht hatten, im Zuge des Untergangs des baryonischen Universums wenigstens die Essenz der Menschlichkeit zu bewahren. Sie hatten nämlich nicht nur Aufzeichnungen der Menschheit oder menschliche Virtuellprojektionen durch den Ring geschickt: Sie hatten Menschen mitgebracht, mit all ihren Fehlern und Ambivalenzen und Schwächen; und Ausrüstung. Und jetzt, da sie es geschafft hatten, war es vielleicht an der Zeit, das menschliche Potential voll zu realisieren: Die Überwindung der Grenzen des Körpers und des Geistes, die letztlich die Auslöschung der Menschheit in dem alten, aufgegebenen Universum verursacht hatten.
Sie fragte sich, ob Seilspinnerins Nachkommen in einigen Generationen wirklich schon dieses neue Universum in ihren glitzernden Schiffen durchfliegen würden. Wenn sie dann tatsächlich auf die Xeelee trafen, würde es eine Begegnung unter Gleichrangigen sein; vielleicht waren die neuen Menschen dann stark, unsterblich – und vernünftig.
»Es geht los!« sagte Morrow mit hoher und angespannter Stimme. Er deutete hinaus, wobei der Ärmel nach hinten rutschte. »Schaut euch das an.«
In einer plötzlichen Eruption aus Licht wallte Gas aus den vier Flanken des Interfaces. Das Gas hatte sich beim Austritt noch
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