Xenozid
hinaus.
»Wo kann ich mich waschen, Vater?« wimmerte Qing-jao.
»Du kannst dich nicht waschen«, sagte Vater. »Du kannst dich nie mehr waschen.«
Und weil Qing-jao ein Kind war, glaubte sie ihm, ohne zu argwöhnen, daß seine Worte Teil der Prüfung waren. Sie beobachtete, wie Vater den Raum verließ. Sie hörte, wie die Tür hinter ihm zuschlug. Sie war allein.
Zuerst streckte sie die Hände einfach weit aus und vergewisserte sich, daß sie keinen Teil ihrer Kleidung berührten. Sie suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, sich zu waschen, aber es gab kein Wasser, nicht einmal ein Tuch. Der Raum war nicht gerade spärlich eingerichtet – es gab Stühle, Tische, Statuen, große Steinkrüge –, aber alle Oberflächen waren hart und poliert und so sauber, daß sie den Gedanken nicht ertragen konnte, sie zu berühren. Doch der Schmutz an ihren Händen war unerträglich. Sie mußte sie säubern.
»Vater!« rief sie laut. »Komm und wasch meine Hände!« Bestimmt konnte er sie hören. Bestimmt war er irgendwo in der Nähe und wartete das Ergebnis der Prüfung ab. Er mußte sie hören – doch er kam nicht.
Der einzige Stoff in dem Raum war das Gewand, das sie trug. Sie konnte sich die Hände daran abwischen, doch dann würde sie die Schmiere mit sich herumtragen; vielleicht geriet sie an andere Teile ihres Körpers. Die Lösung bestand natürlich darin, sich auszuziehen – doch wie konnte sie das, ohne mit ihren schmutzigen Händen einen anderen Teil ihres Körpers zu berühren?
Sie versuchte es. Zuerst kratzte sie an den glatten Armen einer Statue soviel Schleim wie möglich ab. Verzeih mir, sagte sie zu der Statue, für den Fall, daß sie einem Gott gehörte. Ich werde danach zurückkommen und dich säubern; ich werde dich mit meinem eigenen Gewand säubern.
Dann griff sie über die Schultern zurück und umfaßte auf dem Rücken den Stoff, zerrte das Gewand nach oben, um es über den Kopf zu ziehen. Ihre schmutzigen Finger glitten von der Seide ab; sie fühlte die Schmiere kalt auf ihrem nackten Rücken, als er die Seide durchdrang. Ich werde sie danach waschen, dachte sie.
Endlich bekam sie den Stoff so fest in den Griff, daß sie das Gewand herunterbekam. Es glitt über ihren Kopf, doch noch bevor sie es vollständig ausgezogen hatte, wußte sie, daß die Dinge schlimmer denn je waren, denn ein Teil der Schmiere war nun in ihrem langen Haar, und dieses Haar war auf ihr Gesicht gefallen, und nun hatte sie den Schmutz nicht nur an den Händen, sondern auch auf dem Rücken, im Haar und auf dem Gesicht.
Doch sie versuchte es. Sie bekam das Gewand endgültig herunter und wischte die Hände dann sorgfältig an einem kleinen Teil des Stoffes ab. Dann wischte sie mit einem anderen Teil ihr Gesicht ab. Doch es half nichts. Ganz gleich, was sie tat, ein Teil der Schmiere blieb an ihr haften. Ihr Gesicht fühlte sich an, als habe die Seide ihres Gewandes den Dreck nur auf ihr verschmiert, anstatt ihn zu entfernen. Sie war nie im Leben so hoffnungslos schmutzig gewesen. Es war unerträglich, und dennoch konnte sie den Schmutz nicht loswerden.
»Vater! Komm und hol mich! Ich will keine Gottberührte sein!« Er kam nicht. Sie fing an zu weinen.
Doch je mehr sie weinte, desto schmutziger kam sie sich vor. Der verzweifelte Drang, sich zu säubern, war sogar stärker als ihr Weinen. Während die Tränen also ihr Gesicht hinabliefen, suchte sie verzweifelt nach einer Möglichkeit, die Schmiere von ihren Händen zu bekommen. Erneut versuchte sie es mit der Seide ihres Gewandes, doch schon nach kurzer Zeit glitt sie durch den Raum, wischte die Hände an den Wänden ab und verschmierte sie mit Schmutz. Sie rieb die Handflächen so schnell an der Wand, daß Hitze entstand und der Schmutz schmolz. Das machte sie immer wieder, bis ihre Hände rot waren, bis ein Teil der weichgewordenen Kruste auf ihren Handflächen abfiel.
Als ihre Handflächen und Finger so sehr schmerzten, daß sie die Schmiere nicht mehr darauf fühlte, wischte sie ihr Gesicht mit den Händen ab und scharrte mit den Nägeln über die Haut, um den Schmutz dort abzukratzen. Als ihre Hände dann wieder schmutzig waren, rieb sie sie erneut an den Wänden ab.
Schließlich sank sie erschöpft zu Boden und weinte. Ihre Augen schlossen sich vor Tränen. Tränen strömten ihre Wangen hinab. Sie rieb die Augen, die Wangen – und fühlte, wie die Tränen ihre Haut beschmutzten. Sie glaubte mit Sicherheit zu wissen, was das zu bedeuten hatte. Die Götter hatten
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