Xenozid
vielleicht eine Möglichkeit darstellt, die Descolada intellektuell zu kastrieren, ihr die Hälfte ihres Lebens zu nehmen.«
»Um die Menschheit zu retten, ohne die Pequeninos zu vernichten.«
»Menschen und Pequeninos, die drauf und dran sind, einen Kompromiß zu schließen, wie sie eine hilflose dritte Spezies ausmerzen können!«
»Nicht gerade hilflos.«
Sie ignorierte ihn. »Genauso, wie Spanien und Portugal in den alten Zeiten direkt nach Kolumbus den Papst dazu brachten, die Welt zwischen Ihren katholischen Majestäten aufzuteilen. Eine Linie auf der Landkarte, und da ist Brasilien, in dem Portugiesisch und kein Spanisch gesprochen wird. Was interessiert es schon, daß neun von zehn Indianern sterben mußten und die anderen jahrhundertlang ihre Rechte und Macht verloren, sogar ihre Sprachen…«
Nun war es an Miro, ungeduldig zu werden. »Die Descolada ist nicht die Indianer.«
»Sie ist eine vernunftbegabte Spezies.«
»Das ist sie nicht«, sagte Miro.
»Ach? Wie kannst du dir da so sicher sein? Ich dachte, du hättest Xenologie studiert. Allerdings vor dreißig Jahren, so daß dein Wissensstand hinterherhinkt.«
Miro antwortete nicht. Er wußte genau, daß sie genau wußte, wie hart er nach seiner Rückkehr gearbeitet hatte, um sich auf den neuesten Stand zu bringen. Es war ein dummer Versuch gewesen, ihre Autorität auszuspielen. Er wartete darauf, daß sie sich wieder zu einer vernünftigen Diskussion bereit zeigte.
»Na schön«, sagte sie. »Das war ein Tiefschlag. Aber es ist auch nicht fair, dich zu schicken, um Zugang zu meinen Unterlagen zu bekommen. Sie versuchen, an mein Mitleid zu appellieren.«
»Mitleid?« fragte Miro.
»Weil du ein… ein…«
»Krüppel bist«, sagte Miro. Er hatte nicht daran gedacht, daß Mitleid alles komplizieren konnte. Aber was konnte er daran ändern? Was immer er tat, er war und blieb ein Krüppel.
»Nun ja…«
»Ela hat mich nicht geschickt«, sagte Miro.
»Dann Mutter.«
»Mutter auch nicht.«
»Oh, hast du dich freiwillig hierher begeben? Oder willst du mir sagen, daß die ganze Menschheit dich geschickt hat? Oder bist du der Gesandte eines abstrakten Wertes? ›Der Anstand hat mich geschickt.‹«
»Wenn dem so wäre, hätte er mich zur falschen Person geschickt.«
Sie prallte zurück, als habe er ihr eine Ohrfeige gegeben. »Ach, bin ich etwa die Unanständige?«
»Andrew hat mich geschickt«, sagte Miro.
»Noch ein Manipulator.«
»Er wäre selbst gekommen.«
»Aber er ist so beschäftigt, weil er sich überall einmischen muß. Nossa Senhora, er ist ein Prediger, der sich in wissenschaftliche Dinge einmischt, die so hoch über ihm stehen…«
»Halt die Klappe«, sagte Miro.
Er sprach so nachdrücklich, daß sie tatsächlich verstummte – wenngleich sie nicht glücklich darüber war.
»Du weißt genau, was Andrew ist. Er hat die Schwarmkönigin geschrieben…«
»… und den Hegemon und Menschs Leben. «
»Sag mir nicht, er habe keine Ahnung.«
»Nein. Ich weiß, daß das nicht stimmt«, sagte Quara. »Ich bin nur so wütend. Ich habe den Eindruck, daß alle gegen mich sind.«
»Gegen das, was du tust, ja«, sagte Miro.
»Warum sieht niemand die Dinge so, wie ich sie sehe?«
»Ich sehe sie so.«
»Wie kannst du dann…«
»Aber ich sehe sie auch so, wie sie sie sehen.«
»Ach ja. Der Unparteiische. Du tust so, als würdest du mich verstehen. Die einfühlsame Tour.«
»Pflanzer stirbt, damit wir Informationen bekommen, die du wahrscheinlich schon hast.«
»Stimmt nicht. Ich weiß nicht, ob die Intelligenz der Pequeninos vom Virus stammt oder nicht.«
»Einen gestutzten Virus könnten wir untersuchen, ohne daß er sterben muß.«
»Gestutzt – ist das jetzt das neue Wort? Es klingt besser als kastriert. Alle Gliedmaßen abschneiden. Und auch den Kopf. Nur der Körper bleibt noch übrig. Machtlos. Geistlos. Ein sinnlos schlagendes Herz.«
»Pflanzer ist…«
»Pflanzer ist in die Vorstellung verliebt, ein Märtyrer zu sein. Er will sterben.«
»Pflanzer bittet dich, ihn aufzusuchen und mit ihm zu sprechen.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Komm schon, Miro. Sie haben einen Krüppel zu mir geschickt. Sie wollen, daß ich mit einem sterbenden Pequenino spreche. Als würde ich eine ganze Spezies verraten, weil ein sterbender Freund – überdies ein Freiwilliger – mich mit dem letzten Atemzug darum bittet.«
»Quara.«
»Ja, ich höre dir zu.«
»Wirklich?«
»Disse que sim!« schnappte sie. Ich habe es doch
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