Xenozid
Marotten durch. Und ich dachte: Das ist so viel wichtiger als die Wissenschaft. Oder die Politik. Oder irgendein Beruf oder eine Leistung, die man erbringen kann. Ich dachte: Wenn ich nur eine gute Familie gründen, nur lernen könnte, anderen Kindern ihr ganzes Leben lang das zu sein, was Andrew, der so spät in mein Leben getreten war, für mich war, dann würde es auf lange Sicht eine bessere Leistung sein als alles, was ich mit dem Verstand oder der Hände Arbeit erreichten könnte.«
»Also sind Sie ein Karrierevater«, sagte Valentine.
»Der in einer Ziegelei arbeitet, um die Familie zu ernähren und zu kleiden. Kein Ziegelmacher, der zufällig Kinder hat. Lini empfindet genauso.«
»Lini?«
»Jaqueline. Meine Frau. Sie ist ihrem eigenen Weg zum selben Ort gefolgt. Wir tun, was wir tun müssen, um uns unseren Platz in der Gesellschaft zu verdienen, doch wir leben für uns, für unser Heim. Füreinander, für unsere Kinder. Das wird mir niemals einen Eintrag in einem Geschichtsbuch einbringen.«
»Wenn Sie sich da nicht mal täuschen«, sagte Valentine.
»Über solch ein Leben zu lesen, wäre langweilig«, sagte Olhado. »Aber es ist alles andere als langweilig, es zu leben.«
»Also ist das Geheimnis, das Sie vor Ihren gepeinigten Geschwistern schützen – Glück.«
»Friede. Schönheit. Liebe. All die großen Abstraktionen. Vielleicht sehe ich sie im Flachrelief, aber dafür in der Großaufnahme.«
»Und Sie haben es von Andrew gelernt. Weiß er es?«
»Ich glaube schon«, sagte Olhado. »Wollen Sie wissen, was mein am meisten gehütetes Geheimnis ist? Wenn wir allein zusammen sind, nur er und ich oder ich und Lini und er – wenn wir allein sind, nenne ich ihn Papa, und er nennt mich Sohn.«
Valentine unternahm keine Anstrengungen, ihre Tränen zurückzuhalten. »Also hat Ender doch Kinder«, sagte sie.
»Ich habe von ihm gelernt, wie man ein Vater ist, und ich bin ein verdammt guter.«
Valentine beugte sich vor. Es war an der Zeit, zur Sache zu kommen. »Das bedeutet, daß Sie mehr als alle anderen in Gefahr sind, etwas wahrhaft Schönes und Gutes zu verlieren, wenn wir mit unseren Unternehmungen keinen Erfolg haben.«
»Ich weiß«, sagte Olhado. »Meine Wahl war auf lange Sicht selbstsüchtig. Ich bin glücklich, aber ich kann nichts tun, um zur Rettung Lusitanias beizutragen.«
»Falsch«, sagte Valentine. »Sie können etwas tun, wissen es aber nicht.«
»Was kann ich tun?«
»Unterhalten wir uns noch eine Weile und stellen wir fest, ob wir es herausfinden können. Und wenn Sie einverstanden sind, Laura, sollte Ihre Jaqueline jetzt damit aufhören, uns aus der Küche zu belauschen, und sich zu uns gesellen.«
Jaqueline kam beschämt herein und setzte sich neben ihren Mann. Valentine gefiel es, wie sie Händchen hielten. Nach so vielen Kindern – es erinnerte sie daran, wie sie mit Jakt Händchen hielt und wie glücklich es sie machte.
»Lauro«, sagte sie. »Andrew hat mir erzählt, als Sie jünger waren, waren Sie das klügste der Ribeira-Kinder. Daß Sie sich mit ihm über die wildesten philosophischen Spekulationen unterhalten haben. Und jetzt, Lauro, mein Adoptivneffe, brauchen wir wilde Philosophien. Hat Ihr Gehirn aufgehört zu arbeiten, seit Sie ein Kind waren? Oder haben Sie noch tiefgründige Gedanken?«
»Ich habe meine Gedanken«, sagte Olhado, »aber ich glaube nicht mehr daran.«
»Wir arbeiten am Überlichtflug, Lauro. Wir arbeiten daran, die Seele einer Computerwesenheit zu finden. Wir versuchen, einen künstlichen Virus umzubauen, in den man die Fähigkeit der Selbstverteidigung eingebaut hat. Wir arbeiten an Magie und Wundern: Also wäre ich dankbar für alle Einblicke, die Sie mir über die Natur des Lebens und der Wirklichkeit geben können.«
»Ich weiß nicht einmal, über welche Ideen Andrew gesprochen hat«, erwiderte Olhado. »Ich habe nicht Physik studiert, ich…«
»Wollte ich studieren, würde ich Bücher lesen. Also will ich Ihnen sagen, was wir einem sehr klugen chinesischen Dienstmädchen auf der Welt Weg gesagt haben. Lassen Sie mich Ihre Gedanken wissen, und ich werde selbst entscheiden, welche nützlich sind und welche nicht.«
»Wie? Sie sind auch keine Physikerin.«
Valentine ging zu dem Computer, der stumm in der Ecke wartete. »Darf ich ihn einschalten?«
»Pois nao«, sagte er. Natürlich.
»Sobald ich ihn eingeschaltet habe, wird Jane bei uns sein.«
»Enders persönliches Programm.«
»Die Computerwesenheit, deren Seele wir zu finden
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