Xenozid
Freundin Enders, die unter dem offensichtlichen Kodenamen ›Jane‹ arbeitete, all das für sie – sie brachte das Kunststück fertig, eine Nachricht über den Verkürzer von einem Schiff, das fast mit Lichtgeschwindigkeit flog, in eine Nachricht umzuwandeln, die von einem auf einem Planeten installierten Verkürzer gelesen werden konnte, für den die Zeit über fünfhundert Mal schneller verging.
Da die Kommunikation mit einem Sternenschiff große Mengen planetarer Verkürzer-Zeit verschlang, wurden normalerweise nur Navigationsdaten und Befehle gesendet. Lediglich hochrangige Beamte der Regierung oder des Militärs durften ausführliche Textbotschaften übermitteln. Valentine begriff nicht, wie es ›Jane‹ gelang, soviel Verkürzer-Zeit für diese Textübertragungen zu bekommen – und gleichzeitig zu verhindern, daß jemand herausfand, woher diese subversiven Dokumente kamen. Des weiteren benutzte ›Jane‹ Verkürzer-Zeit, indem sie ihr die veröffentlichten Reaktionen auf ihre Schriften sendete und ihr alle Argumente und Strategien mitteilte, die die Regierung benutzte, um gegen Valentines Propaganda zu arbeiten. Wer auch immer ›Jane‹ war – und Valentine vermutete, daß ›Jane‹ einfach der Name für eine geheime Organisation war, die die höchsten Regierungsebenen durchsetzt hatte –, sie war außerordentlich gut. Und außerordentlich tollkühn. Doch wenn Jane das Risiko einging, sich bloßzustellen, war es Valentine ihr – ihnen – schuldig, so viele Traktate wie möglich zu produzieren und sie so mächtig und gefährlich wie möglich zu gestalten.
Wenn Worte tödliche Waffen sein können, muß ich sie mit einem Arsenal ausstatten.
Doch sie war auch eine Frau; und sogar Revolutionäre dürfen ein Privatleben haben, nicht wahr? Augenblicke der Freude – oder vielleicht nur der Erleichterung, die hier und da abgezweigt wurden. Sie erhob sich von ihrem Sitz, ignorierte die Schmerzen, die daher stammten, daß sie sich bewegte, nachdem sie so lange gesessen hatte, und zwängte sich zur Tür ihres winzigen Büros hinaus – eigentlich eines Vorratsraums, bevor sie das Sternenschiff ihren Zwecken gemäß umgebaut hatten. Sie schämte sich ein wenig, weil sie so versessen darauf war, zu dem Raum zu kommen, in dem Jakt auf sie wartete. Die meisten großen revolutionären Propagandisten der Geschichte hätten drei Wochen der körperlichen Abstinenz ertragen können. Oder etwa nicht? Sie fragte sich, ob jemals eine Untersuchung über diese Frage vorgenommen worden war.
Sie stellte sich noch immer vor, wie ein Forscher wohl einen Antrag auf Bewilligung finanzieller Unterstützung für solch ein Projekt verfassen würde, als sie die Vierbett-Kabine erreichte, die sie mit Syfte und deren Mann Lars teilten, der ihr erst ein paar Tage vor ihrem Abflug einen Heiratsantrag gemacht hatte, als er begriff, daß Syfte Trondheim wirklich verlassen würde. Es war nicht einfach, mit frisch Verheirateten eine Kabine zu teilen – Valentine kam sich immer wie ein Eindringling vor, wenn sie den Raum betrat. Doch sie hatte keine andere Wahl. Obwohl es sich bei diesem Sternenschiff um eine Luxusjacht mit allen erdenklichen Annehmlichkeiten handelte, war es einfach nicht für so viele Passagiere geschaffen.
Ihre zwanzig Jahre alte Tochter Ro und Varsam, ihr sechzehnjähriger Sohn, teilten sich eine weitere Kabine mit Plikt, ihrer lebenslangen Lehrerin und der besten Freundin der Familie. Die ursprünglichen Besatzungsmitglieder der Jacht, die sich entschlossen hatten, mit ihnen auf die Reise zu gehen – es wäre unrecht gewesen, sie alle zu entlassen –, benutzten die beiden anderen Kabinen. Die Brücke, der Speisesaal, die Kombüse, der Salon, die Schlafkabinen – alle Räume waren voller Menschen, die ihr Bestes gaben, die Verärgerung darüber, so eingepfercht leben zu müssen, nicht außer Kontrolle geraten zu lassen.
Doch im Augenblick befand sich keiner von ihnen auf dem Gang, und Jakt hatte bereits ein Schild an ihre Tür geklebt:
Bleibt draußen oder sterbt
Es war mit ›Der Eigner‹ unterschrieben. Valentine öffnete die Tür. Jakt stand so dicht neben der Tür an die Wand gelehnt, daß sie sich erschreckte und einen leisen Schrei ausstieß.
»Schön zu wissen, daß mein Anblick Schreie des Vergnügens bei dir auslösen kann.«
»Des Erschreckens.«
»Tritt ein, meine süße Aufwieglerin.«
»Du weißt ja, daß technisch gesehen ich die Eignerin dieses Sternenschiffes bin.«
»Was dein ist,
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