Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Xenozid

Xenozid

Titel: Xenozid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Card Orson Scott
Vom Netzwerk:
nicht so sehr an einen bestimmten Ort gebunden. Keiner von ihnen war wie ihr Vater Seemann geworden; sie alle wollten Gelehrte oder Wissenschaftler werden und wie ihre Mutter ein Leben mit öffentlichen Vorträgen und privaten Betrachtungen führen. Sie konnten ihr Leben ohne große Veränderungen auf jeder Welt verbringen. Jakt war stolz auf sie, andererseits jedoch enttäuscht, daß die sieben Generationen zurückreichende Familientradition, das Leben auf den Meeren Trondheims zu verbringen, mit ihm enden würde. Trondheim aufzugeben war das schwerste, was sie je von Jakt hätte verlangen können, und er hatte ohne Zögern zugestimmt.
    Vielleicht würde er eines Tages dorthin zurückkehren, und die Meere, das Eis, die Stürme, die Fische, die unerträglich süßen grünen Wiesen des Sommers würden noch dort sein. Aber seine Mannschaften würden verschwunden sein, waren bereits verschwunden. Die Männer, die er besser als seine eigenen Kinder, besser als seine Frau gekannt hatte – diese Männer waren bereits fünfzehn Jahre älter, und wenn er zurückkehrte, falls er zurückkehrte, würden weitere vierzig Jahre verstrichen sein. Dann würden ihre Enkelsöhne die Schiffe bemannen. Sie würden den Namen Jakt nicht mehr kennen. Er wäre ein ausländischer Schiffseigner, der aus dem Himmel gekommen war, kein Seemann, kein Mann mit dem Gestank und dem gelblichen Blut der Mischmisch an seinen Händen. Er wäre dann keiner von ihnen mehr.
    Wenn er sich also beschwerte, daß sie ihn vernachlässigte, wenn er sie wegen des Mangels an Intimitäten während ihrer Reise hänselte, steckte mehr dahinter als nur das verspielte Begehren eines alternden Ehemannes. Ob er nun wußte, was er damit sagte, oder nicht, sie verstand die wahre Bedeutung seiner Angebote: Hast du mir nichts zu geben nach allem, was ich für dich aufgegeben habe?
    Und er hatte recht – sie trieb sich härter an, als es eigentlich notwendig war. Sie machte mehr Opfer, als gemacht werden mußten – und verlangte von ihm ebenfalls zuviel. Nicht die bloße Anzahl subversiver Artikel, die Demosthenes während dieser Reise veröffentlichte, machte den Unterschied aus. Es kam darauf an, wie viele Menschen lasen und glaubten, was sie schrieb, und wie viele danach als Feinde des Sternenwege-Kongresses dachten, sprachen und handelten. Vielleicht noch wichtiger war die Hoffnung, daß einige Mitglieder der Bürokratie des Kongresses selbst dazu bewegt werden würden, sich stärker der Menschlichkeit verpflichtet zu fühlen und ihre Solidarität zu der wahnwitzigen Institution aufzugeben. Einige würden sich durch ihre Artikel bestimmt ändern. Nicht viele, aber vielleicht genug. Und vielleicht noch rechtzeitig, um zu verhindern, daß sie den Planeten Lusitania zerstörten.
    Wenn nicht, würden sie und Jakt und diejenigen, die Leben lang Seemann sein und eine Mannschaft führen, wenn man nicht ziemlich selbstgenügsam war. Soweit Valentine wußte, waren sie und die Kinder die einzigen Menschen, die er willentlich jemals gebraucht hatte.
    Selbst dann hatte er sie nicht so dringend gebraucht, daß er sein Leben als Seemann und Fischer nicht fortsetzen konnte und tagelang, oft Wochen und manchmal sogar Monate von zu Hause fort war. Anfangs, als sie so hungrig aufeinander waren, daß sie einfach niemals befriedigt waren, hatte Valentine ihn gelegentlich begleitet. Doch nach wenigen Jahren war ihr Hunger der Geduld und dem Vertrauen gewichen; wenn er fort war, recherchierte sie und schrieb ihre Bücher, um ihm und den Kindern dann ihre gesamte Aufmerksamkeit zu widmen, wenn er zurückkehrte.
    »Würde Vater doch nur nach Hause zurückkehren, damit Mutter aus ihrem Zimmer kommt und wieder mit uns spricht«, pflegten sich die Kinder damals zu beschweren. Ich war keine sehr gute Mutter, dachte Valentine. Es ist reines Glück, daß die Kinder so gut geraten sind.
    Der Essay hing noch immer über dem Terminal in der Luft. Sie mußte ihm nur noch den letzten Schliff geben. Unter dem Text setzte sie den Cursor in die Mitte und tippte den Namen, unter dem all ihre Artikel veröffentlicht wurden:
     
    Demosthenes
     
    Diesen Namen hatte ihr älterer Bruder Peter ihr gegeben, als sie gemeinsam Kinder waren, vor fünfzig Jahren – nein, vor dreitausend.
    Der bloße Gedanke an Peter reichte noch immer aus, sie aufzuwühlen, es sie innerlich kalt und heiß durchfließen zu lassen. Peter der Grausame, Peter der Gewalttätige, dessen Verstand so subtil arbeitete und so gefährlich war,

Weitere Kostenlose Bücher