Yachtfieber
suchen sie jetzt dort hinten?« fragte Nadine, die sofort ihren Mann angerufen und ihm alles erzählt hatte.
»Ich nehme an, daß wir in der letzten Stunde abgetrieben sind.
Sie werden schon wissen, was sie tun!« Pia ging auf die andere Seite des Schiffes, um alles besser im Auge behalten zu können.
Ihre Freunde folgten ihr, die Jugendlichen hatten sich wieder auf den vorderen Teil des Deckaufbaus gesetzt, nur Alissa löste sich noch einmal und kam zu Pia herüber.
»Vielleicht war er krank?« sagte sie. »Vielleicht war das ein schönerer Tod als in irgendeinem Krankenhaus an hundert Schläuchen?«
»Das bestimmt«, antwortete Pia, obwohl ihr bei dem
Gedanken schauderte. Aber Franco krank? Der hatte sich bestimmt schon seinen Altersruhesitz in einem
Mädchenpensionat gekauft. Und außerdem: »Dann hätte er Selbstmord begangen«, ging ihr auf, und sie schaute Alissa mit einem überzeugten Kopfschütteln an. »Dazu war er bestimmt nicht fähig!«
»Und wieso nicht?« wollte Alissa wissen.
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»Weil er viel zu feige war. Er hat für jede Heldentat in seinem Leben einen anderen gebraucht …« Und da fiel ihr auf, daß sie bereits in der Vergangenheitsform von ihm sprach.
Sie saßen dichtgedrängt um den langen Tisch. Der Koch hatte wie immer reichlich gekocht, es waren etliche Schüsseln mit verlockenden Speisen aufgetragen worden, und einige Flaschen Lâl standen auf dem Tisch, aber die meisten luden nur wenig auf ihren Teller. Keiner hatte wirklich Appetit. Die Suche war nach einer Stunde abgebrochen worden, Franco blieb verschollen.
Es war nicht mehr wie am späten Nachmittag, als sich noch Altersgrüppchen gebildet hatten – jetzt saßen alle
durcheinandergemischt am Tisch, jeder dort, wo er noch ein Plätzchen ergattern konnte. Die hübsche Griechin saß zwischen Marc und Uli eingeklemmt auf der Bank, auf der anderen Seite Pia zwischen ihrer Tochter und Riccardo, dem jungen Mann, mit dem Marc zu Francos Boot gefahren war.
Riccardo hatte gerade erzählt, wie die bunt
zusammengewürfelte Truppe aus jungen Italienern, Schweden, Deutschen und Griechen überhaupt zustande gekommen war.
Sie waren tatsächlich alle Models und hatten auf der Insel Rhodos für einen Modekatalog Bademoden fotografiert. Im Hafen von Rhodos war ihnen abends das feuerrote Rennboot aufgefallen, und sie lernten Franco kennen, der gutaussehenden jungen Leuten nie abweisend gegenüberstand und sie spontan zu einer Party auf sein Boot einlud. Es waren noch einige Leute mehr an Bord, die aber am nächsten Tag zurück nach
Deutschland fliegen mußten, so daß sie Francos Angebot gern annahmen, mit ihm ein bißchen durchs Mittelmeer zu kreuzen.
»Ihr kanntet ihn also gar nicht näher?«
»Unseren Job hatten wir erledigt, wir hatten Zeit, etwas Besseres hätte uns doch gar nicht passieren können!«
Das wird sich noch herausstellen, dachte Pia. Ganz so sicher war sie sich da nämlich nicht.
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»Und wo seid ihr überall gewesen?« wollte sie wissen.
»Gestern so ein bißchen überall, abends wieder in Rhodos, und heute wollten wir eigentlich alle auf dem Boot übernachten und morgen irgendwohin weiterfahren.«
Also wollte Franco mit seiner Beute bei uns angeben und nicht umgekehrt, dachte Pia. Auch interessant.
»Und was hat er euch gesagt, warum er unbedingt unsere
›Dogukan‹ hier ansteuern wollte?«
Jetzt zögerte Riccardo, fast wurde er verlegen. Er schickte einen Blick an Pia vorbei zu Kim, bevor er antwortete: »Er meinte, er könnte uns vielleicht eine wirklich große Karriere vermitteln, Marc sei ein sehr guter Freund von ihm, da ginge sicher was.«
Also doch, dachte Pia; Kim lachte.
»Bestimmt geht da was«, sagte sie frech. »Typisch Franco. So hat er das immer gemacht …«
Riccardo schwieg.
»Jetzt ist er jedenfalls weg«, mischte sich Jens von der anderen Seite aus ein, »und wir sitzen hier fest!«
»So kann’s gehen«, meinte Kim lapidar, und die Griechin zuckte die Schultern: »Es gibt üblere Plätze!«
Kim, Alissa und ihre neuen Bekannten hatten alle zusammen die Nacht auf der großen Liegefläche im Heck des Schiffes verbracht. Die Nächte waren warm, trotzdem hatten sie sich Decken organisiert, frühmorgens konnte es feucht und ungemütlich werden.
Pias Handy läutete um acht, für Marc eine teufelsfrühe Zeit im Urlaub. Pia und er hatten die eine der beiden Heckkabinen für sich, eigentlich die klassische Kapitänskajüte mit Blick durch zwei große Sprossenfenster auf das Wasser und die
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