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Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia

Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia

Titel: Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria V. Snyder
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Baumwollhosen und Tuniken angezogen. Ich dagegen hatte die Uniform des Vorkosters anbehalten, bis mir so heiß und feucht war, dass ich mir eine leichte Männerhose und ein dünnes Hemd kaufte.
    Nachdem Irys in dem grünen Dach verschwunden war, stieg ich auf die unterste Sprosse. Meine Füße waren schwer wie Blei, sodass ich sie kaum heben konnte. Ungelenk stieg ich die Strickleiter hinauf. Auf halber Strecke blieb ich stehen. Wenn diese Leute mich nun gar nicht haben wollten? Wenn sie mich gar nicht für ihre verlorene Tochter hielten? Wenn ich für sie zu alt war, um mich zu akzeptieren?
    All die Kinder, die ihr Zuhause bereits gefunden hatten, waren mit offenen Armen aufgenommen worden. Im Alter zwischen sieben und dreizehn hatte man sie von ihren Eltern getrennt, und zwar nur für wenige Jahre. Die Ähnlichkeit, das Alter und der Name hatten dazu beigetragen, dass ihre Eltern und Geschwister sie sofort wiedererkannten. Die meisten aus unserem Zug waren wieder vereint. Zuletzt waren wir nur noch zu viert – Gracena und Nickeely, die dreizehnjährigen Zwillinge, und May, mit zwölf Jahren die Jüngste. Ich war mit zwanzig die Älteste der Gruppe.
    Laut Irys’ Erzählungen hatte die Zaltanas vor vierzehn Jahren ein sechsjähriges Mädchen verloren. Es war eine lange Zeit, um fort zu sein. Längst war ich kein Kind mehr.
    Ich war überhaupt die Älteste, die Brazells Pläne überlebt hatte und unversehrt geblieben war. Als die anderen entführten Kinder geschlechtsreif geworden waren, wurden diejenigen mit magischen Fähigkeiten so lange gequält, bis Mogkan und Reyad sich ihrer Seelen bemächtigen konnten. Anschließend hatte Mogkan die Magie der willenlosen Gefangenen benutzt, um seine eigene Zauberkraft zu vermehren, und die Kinder als seelenlose Hüllen zurückgelassen.
    Irys oblag die schwere Aufgabe, die Familien über das Schicksal ihrer Kinder aufzuklären, während ich mich schuldig fühlte, weil ich als Einzige Mogkans Versuche, meine Seele zu rauben, überlebt hatte, was mir allerdings sehr schwergefallen war.
    Beim Gedanken an meine schwierige Zeit in Ixia kam mir unweigerlich Valek in den Sinn, und mir wurde ganz schwer ums Herz. Während ich mich mit einer Hand an der Leiter festhielt, tastete ich mit der anderen nach dem Schmetterlingsanhänger, den er für mich geschnitzt hatte. Vielleicht würde ich eine Möglichkeit finden, nach Ixia zurückzukehren. Immerhin gerieten mir meine magischen Kräfte nicht mehr außer Kontrolle, und ich wäre viel lieber mit ihm zusammen gewesen als bei fremden Menschen aus dem Süden, die in Bäumen lebten. Sogar der Name dieses Landes, Sitia, verursachte ein klebriges Gefühl in meinem Mund.
    „Komm, Yelena!“, rief Irys zu mir hinunter. „Wir warten.“
    Ich schluckte schwer und berührte meinen langen Zopf. In meinem schwarzen Haar hatten sich einige Kletterpflanzen verfangen. Sorgfältig zupfte ich sie heraus. Trotz des langen Wegs durch den Urwald fühlte ich mich nicht sonderlich müde. Mit meinen gut ein Meter sechzig war ich kleiner als die meisten Ixianer, aber mein ehemals ausgemergelter Körper war in meinem letzten Jahr in Ixia recht kräftig geworden. Das verdankte ich den Lebensumständen, die sich von einem auf den anderen Tag für mich geändert hatten, als ich Vorkosterin von Commander Ambrose geworden war. Zuvor hatte ich im Gefängnis hungern müssen. Rein körperlich ging es mir von diesem Moment an also gut. Was ich von meinem seelischen Befinden leider nicht behaupten konnte.
    Mit einem energischen Kopfschütteln verbannte ich diese Gedanken aus meinem Kopf und konzentrierte mich auf die unmittelbare Gegenwart. Während ich die letzten Sprossen erklomm, rechnete ich damit, dass die Leiter an einem kräftigen Ast enden oder zu einer Plattform im Baum, ähnlich einem Treppenabsatz, führen würde. Stattdessen betrat ich ein Zimmer.
    Verblüfft schaute ich mich um. Die Wände und die Decke des kleinen Raums bestanden aus zusammengebundenen Ästen. Sonnenlicht fiel durch die Ritzen. Auf vier Stühlen, die aus Stöcken geflochten waren, lagen Kissen aus Blättern.
    „Ist sie das?“, wollte ein kräftiger Mann von Irys wissen. Seine Baumwolltunika und die kurze Hose waren von der gleichen Farbe wie die Blätter der Bäume. Er hatte sich grünes Gel ins Haar und auf jene Teile des Körpers geschmiert, die nicht von Kleidung bedeckt waren. Bogen und Köcher hingen über seiner Schulter. Vermutlich war er der Wächter. Aber warum brauchte er eine

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