You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
Michael war noch ein Baby, trug Windeln und lernte gerade erst laufen, aber wenn das Geschirr wieder ordentlich weggestellt und alles fleckenlos sauber poliert worden war, setzte sich Mutter hin, nahm ihn auf den Arm und sang ihn in den Schlaf. „Cotton Fields“ war meine erste Gesangserfahrung und Michaels Schlaflied.
Meine erste Erinnerung an Michael stammt aus dieser Zeit. An seine Geburt oder daran, wie Mutter mit ihm nach Hause kam, erinnere ich mich nicht. Geburten waren in unserer Familie kein großes Ereignis. Ich war fünf, als ich Michael zum ersten Mal wickelte. Ich tat das, was wir alle taten – wir halfen Mutter, wo wir konnten, indem wir in unserer Familie, die später neun Kinder zählte, überall mit Hand anlegten.
Michael war von Geburt an ein Energiebündel voll ungezähmter Neugier. Wenn man ihn auch nur für eine Sekunde aus den Augen ließ, war er unter den Tisch oder unters Bett gekrabbelt. Wenn Mutter unser äußerst schlichtes Waschmaschinenmodell in Betrieb nahm, dann stand er davor und hüpfte im Einklang mit den rumpelnden Vibrationen auf der Stelle hin und her. Ihm auf dem Sofa die volle Windel zu wechseln, glich in etwa dem Versuch, einen nassen Fisch festzuhalten, der sich wand, zuckte und sich hin- und herdrehte. Eine Windel mit Sicherheitsnadeln ordentlich festzustecken war schon für einen Erwachsenen nicht einfach, und für mich als Fünfjährigen bedeutete es eine echte Herausforderung. Glücklicherweise sprangen Rebbie oder Jackie mir oft zur Seite. Michael hatte außergewöhnlich lange, dünne Finger, die meinen Daumen packten, und große Rehaugen, in denen zu lesen stand: „Es macht mir einen Riesenspaß, dir die Sache ein bisschen schwerzumachen, Kumpel.“ In meinen Augen war er aber vor allem der kleine Bruder, auf den man aufpassen musste. Uns allen war immer wieder eingeimpft worden, uns umeinander zu kümmern, aber für Michael fühlte ich mich vom ersten Tag an besonders verantwortlich. Vielleicht lag es daran, dass ich immer nur hörte, wie meine Mutter rief: „Wo ist Michael?“ – „Ist Michael nichts passiert?“ – „Hat jemand Michael gewickelt?“
„Ja, Mutter … Wir haben alles im Griff … er ist hier“, antwortete dann einer von uns.
Keine Sorge. Michael ist nichts passiert. Michael geht es gut.
Unsere Großmutter mütterlicherseits, Mama Martha, badete uns, als wir noch klein waren, in einer breiten Aluminiumschüssel voller Seifenwasser. Später sah ich dabei zu, wie Michael mit hochgereckten Armen und verkniffenem Gesicht in dieser kleinen „Badewanne“ stand und mit enormer Gründlichkeit von den Zehenzwischenräumen bis zu den Ohren ordentlich abgeseift wurde. Wir mussten immer sauber sein und uns vor Keimen in Acht nehmen. Ich glaube, das wurde uns eingebläut, noch bevor wir laufen oder sprechen konnten. Und für echte Sauberkeit ging nichts über Castile-Seife mit ihrem groben Schaum. Einseifen und richtig schrubben. Mutter war sehr genau, wenn es um Sauberkeit ging – für sie musste immer alles ordentlich gewischt und gewienert sein. Sauber allein reichte nicht. Das Haus – und wir natürlich auch – hatte porentief rein zu sein und auch so auszusehen.
Keime wurden als unsichtbare Ungeheuer dargestellt. Von Keimen wurde man krank, hörten wir. Andere Menschen übertrugen Keime. Keime waren in der Luft, auf der Straße, auf allen Oberflächen. Ständig wurde uns das Gefühl vermittelt, wir seien von einer unsichtbaren Invasion bedroht. Wenn einer von uns nieste oder hustete, kam das Rizinusöl auf den Tisch, und jeder von uns bekam einen Löffel, um die Infektion gleich zurückzudrängen. Ich weiß, dass ich hier auch für Michael, La Toya und Janet spreche, wenn ich sage, dass wir mit einer beinahe neurotischen Angst vor Keimen aufwuchsen, und es war nicht schwer zu erraten, weshalb.
Bevor es beim Abwasch mit dem Singen losging, bekamen wir unsere erste wichtige Lektion: „Wir waschen nur mit sauberem Wasser ab … mit SAUBEREM Wasser!“ Lektion Nummer zwei: „Macht das Wasser so heiß, dass ihr es gerade noch aushaltet, und nehmt ordentlich Seifenlauge.“ Jeder Teller wurde geschrubbt, bis die oberste Keramikschicht ganz dünn war. Jedes Glas wurde gespült und abgetrocknet und dann gegen das Licht gehalten, um zu überprüfen, ob sich nicht noch Wasserflecken fanden. Wenn ja, dann musste man noch einmal von vorn anfangen.
Wenn wir von draußen ins Haus kamen, wurden wir zunächst einmal entseucht. Mutters erste Worte waren
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