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You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)

You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)

Titel: You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jermaine Jackson
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ebenfalls auslebten. Man kauerte sich ziemlich in der Mitte hin, hielt sich an den Eisenstangen fest und brachte seine Brüder dazu, das Ding so schnell zu drehen, wie es irgend ging. „Schneller! Schneller! Schneller!“, rief Michael, die Augen fest geschlossen und vor Begeisterung lachend. Er setzte sich meist rittlings auf die Haltestangen und ließ sich dann herumwirbeln. Die Augen zugekniffen. Den Wind im Gesicht.
    Wir alle träumten davon, eines Tages einmal mit einem richtigen Zug zu fahren, ein echtes Go-Kart-Rennen zu bestreiten und bei Disney in einem großen Karussell zu sitzen.
    Noch bevor wir je etwas von Roald Dahl und seiner Geschichte von Willy Wonkas Schokoladenfabrik hörten, kannten wir schon dessen afro-amerikanische Version, Mr. Long. Er war wie ein Zauberer, mit weißem Haar, runzligen Gesichtszügen und lederartiger dunkler Haut, der in der nächsten Straße, der 22. Avenue, Süßigkeiten verkaufte. Sein Haus lag auf dem Weg zu unserer Grundschule am anderen Ende der Jackson Street.
    Viele Kinder machten sich wie wir regelmäßig auf zu Mr. Longs Haus, weil sein jüngerer Bruder auf unsere Schule ging. Weil wir Timothy kannten, bekamen wir immer einen guten Preis; für zwei oder fünf Cent gab es eine kleine Papiertüte voller Lakritz, Karamellbänder, Zitronendrops oder Kaubonbons mit Bananengeschmack – Mr. Long hatte einfach alles, ordentlich auf einem Bettgestell im Vorderzimmer ausgelegt. Er sagte nicht viel und lächelte auch nicht, aber wir freuten uns trotzdem jedes Mal darauf, ihn morgens vor der Schule zu besuchen; wir zeigten auf das, was wir haben wollten, und er packte es in unsere Tüte. Michael war verrückt nach Süßigkeiten, und dieses morgendliche Ritual ließ den Tag immer gleich viel freundlicher erscheinen. Wie wir an das nötige Kleingeld dafür kamen, ist eine andere Geschichte, die ich später erzählen will.
    Wir alle bewachten unsere Papiertüten mit den Süßigkeiten wie einen Goldschatz, und zu Hause, in unserem Zimmer, hatten wir alle unsere eigenen Verstecke, die natürlich die anderen Brüder aufspüren wollten. Ich bunkerte meine Sachen unter dem Bett oder unter der Matratze, und man kam mir immer auf die Schliche, aber Michael war wie ein Eichhörnchen und fand sehr clevere Verstecke, die nie einer von uns entdeckte. Wenn ich ihn später, als wir erwachsen waren, daran erinnerte, grinste er nur. So lachte Michael zeitlebens: eine Mischung aus Kichern, Glucksen und Grinsen, immer ein wenig schüchtern und meist auch ein bisschen verlegen. Michael spielte gern Einkaufsladen: Er bastelte sich einen Ladentisch, indem er ein Brett über ein paar aufgestapelte Bücher legte, darüber breitete er ein Tischtuch, und dann packte er seine Süßigkeiten aus. Der „Laden“ befand sich entweder in der Tür zu unserem Kinderzimmer oder auf dem untersten Etagenbett, und er kniete dann immer dahinter und wartete auf Kundschaft. Wir handelten und tauschten viel miteinander, dazu nahmen wir entweder das Wechselgeld, das wir von Mr. Long bekommen hatten, oder kleine Münzen, die wir auf der Straße gefunden hatten.
    Aber Michael war zum Entertainer geboren, nicht zum gewieften Geschäftsmann. So viel wurde klar, als unser Vater ihn eines Tages fragte, wieso er so spät von der Schule nach Hause komme. „Wo warst du?“
    „Ich habe Süßigkeiten gekauft“, antwortete Michael.
    „Wie viel hast du dafür bezahlt?“
    „Fünf Cent.“
    „Und für wie viel willst du sie jetzt verkaufen?“
    „Für fünf Cent.“
    Joseph gab ihm einen harten Klaps auf den Hinterkopf. „Man verlangt doch nicht nur denselben Preis, den man selbst bezahlt hat!“
    Das war typisch Michael: Immer viel zu fair, nie gerissen genug. „Wieso kann ich die Sachen nicht für fünf Cent weggeben?“, fragte er später im Kinderzimmer. Die Logik dahinter blieb ihm verschlossen, und der unverdiente Klaps hatte ihn verletzt. Ich ließ ihn auf dem Bett sitzen, wo er vor sich hin murmelte, während er seine Süßigkeiten sortierte und offenbar immer noch im Kopf Einkaufsladen spielte.
    Ein paar Tage später erwischte ihn Joseph hinten im Garten, wo er anderen Kindern aus der Straße Süßigkeiten durch den Zaun reichte. Kindern, die es nicht so gut hatten wie wir. Natürlich war er umlagert. „Für wie viel hast du ihnen den Kram verkauft?“, fragte Joseph.
    „Ich habe nichts verkauft. Ich habe es ihnen so gegeben.“
    Knappe dreitausend Kilometer entfernt vom Ort unserer Kindheit besuchte ich Michael

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