You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
angespannt. Raynard am Bass legte mit dem pulsierenden Anfang los … dann folgte Tito mit dem Melodiebogen auf der Gitarre … Jackie mit seinen Maracas, Michael mit seinen Bongos … und dann fing ich an zu singen.
Wir kamen richtig in Schwung, als ich eine weitere Temptations-Nummer anstimmte, das etwas schnellere „Get Ready“. Und Jackie, Marlon und Michael ließen die Bühne erbeben, als sie auf Michaels Gesangsfinale hinarbeiteten – James Browns „I Got You (I Feel Good)“. Schon bei der ersten Strophe sprangen die Leute von den Sitzen. Ich guckte nach rechts, dorthin, wo Joseph stand, um zu sehen, ob er es gut fand. Er war noch immer angespannt, hielt die Arme seitlich am Körper. Nur seine Lippen bewegten sich, als er tonlos den Text mitsprach, die Augen starr auf Michael gerichtet. „Eeeeoooowwww!“, schrie Michael. „I FEEEEL good …“ Bei seinem hohen, hyänenartigen Schrei blieb den Zuschauern der Mund offen stehen, dann kreischten sie vor Begeisterung. Und bei „I Got The Feeling“, unserem letzten Song, brachte er das Feeling wirklich rüber. Er sprang vor die Bühne und fing an zu tanzen, ein perfekt choreographierter Derwisch. Ein siebenjähriger Derwisch.
Niemand hatte erwartet, dass wir so gut sein würden, aber Michael riss die Leute mit. Uns war egal, dass es nur die örtliche Schule war. Für Kinder ist eine jubelnde Menge eine jubelnde Menge.
Nach dem Konzert sprangen wir hinter der Bühne wild herum und durchlebten den ganzen Auftritt noch einmal. Es war ein bisschen so, als hätte man einen Homerun geschafft oder ein entscheidendes Tor geschossen. Joseph war … zufrieden. „Im Großen und Ganzen wart ihr recht gut“, erklärte er, „aber es liegt noch einiges an Arbeit vor uns.“
Das Nächste, woran ich mich erinnere, war der Moderator, der uns zu den Gewinnern erklärte. Wir rannten zurück auf die Bühne. Noch mehr Kreischen. Lustigerweise war unter den anderen Künstlern, gegen die wir uns durchgesetzt hatten, auch Deniece Williams, die einige Jahre später mit „Let’s Hear It For The Boy“ einen Riesenhit landete. Josephs Anerkennung brauchten wir an diesem Abend nicht: Wir hatten bei unserem ersten großen Auftritt richtig abgeräumt, und das reichte uns erst einmal.
Wir fuhren nach Hause und feierten mit reichlich Eiscreme. Joseph deutete in die Ecke unseres Wohnzimmers, in dem unsere stolze kleine Auswahl von Baseball-Pokalen stand, die von der anderen großen Begeisterung kündete, die wir alle teilten. Die Pokale standen da, als wollten sie unabsichtlich die These untermauern, die er immer wieder aufstellte: Bei Wettbewerben geht es nur darum, der Beste zu sein!
Aus unserem Zimmerfenster hatten wir einen freien Blick auf das Baseballfeld neben der Theodore Roosevelt High, auf dem wir spielten. Wenn man uns damals gefragt hätte, ob wir lieber als Musiker oder als Sportler Erfolg haben wollten, hätten wir uns sicherlich für Baseball entschieden. Vor allem Jackie, die Sportskanone unserer Familie. Wenn er Ärger mit Joseph hatte und für kurze Zeit abhaute, dann wussten wir, wo er zu finden war – er hockte auf dem Feld vor der Tribüne, warf den Ball mit einer Hand und fing ihn immer wieder mit seinem Fängerhandschuh.
Wahrscheinlich hätten wir vor allem eher deswegen Ja zum Baseball gesagt, weil uns dieser Traum realistischer erschien und sich drei von uns als Spieler bereits hervorgetan hatten. Die winzigen goldenen Figuren, die oben auf den Pokalen ihre Schläger schwangen, waren Beweis für den Ruhm und die gewonnenen Wettbewerbe mit den Katz Kittens, unserem Team aus der Baseball-Kinderliga von Gary. In unserer Jugend sahen wir uns viele Spiele der Chicago Cubs an und wollten unbedingt ihren Stars Ernie Banks und Ron Santo nacheifern.
Jackie war so gut, dass sich bereits die ersten Talentsucher um ihn bemühten, und er war sich sicher, dass er schon bald einen richtigen Vertrag bekommen würde. Er war ein großartiger Pitcher und Batsman und holte einen Homerun nach dem anderen für unser Team. Sein Herz gehörte dem Baseball, das war bei ihm noch ausgeprägter als bei uns anderen. Bei den Spielen war Michael unser Mini-Maskottchen und saß mit Marlon und Joseph in einem kleinen grünweißen Trikot, das ihm über der Jeans bis zu den Knien hing, auf der Tribüne, futterte rote Zuckerschnüre und jubelte begeistert, sobald einer von uns den Ball bekam. Eines Abends fand unter der Woche einmal ein großes Spiel gegen einen Konkurrenten aus der
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