Young Sherlock Holmes 3
Männer und erwarteten sie.
Der eine trug ebenfalls eine Militäruniform. Doch sie war viel prachtvoller als die der anderen Soldaten und darüber hinaus trug er ein Cape über der Schulter. Er hatte kurzgeschorene graue Haare, einen an den Spitzen gezwirbelten Schnurrbart und war etwa in den Vierzigern. Bei dem anderen jedoch handelte es sich um einen Mann in den Zwanzigern, der einen schwarzen Anzug und eine gestreifte Weste trug.
»Ah, Sherlock«, begrüßte ihn Mycroft mit ruhiger Stimme. »Das hier ist seine Exzellenz Graf Pjotr Andrejewitsch Schuwalow. Graf Schuwalow, erlauben Sie mir, Ihnen meinen Bruder Sherlock vorzustellen.«
Schuwalow starrte Sherlock an, ehe er den Blick schließlich wieder zu Mycroft wandte.
»Ja«, sagte er in exzellentem Englisch. »Ich schätze, er ist
tatsächlich
nach dem väterlichen Zweig Ihrer Familie geraten.«
16
Im Speiseraum des Diogenes Clubs hatte es still wie in einem Grab zu sein, weswegen Mycroft dafür gesorgt hatte, dass ihr Mahl im Besucherraum serviert wurde. Denn zumindest dort konnten die vier eine vernünftige Unterhaltung führen.
Mycroft hatte an der Stirnseite des Tisches Platz genommen, mit Sherlock zu seiner Linken und Amyus Crowe zu seiner Rechten. Rufus Stone saß Mycroft gegenüber.
Als er sich so umblickte, konnte Sherlock sich schwer vorstellen, dass dies der gleiche Raum war, in dem das Abenteuer begonnen hatte. Er musterte den Teppich nach Spuren von Blut. Entweder war er fachmännisch gereinigt oder einfach ersetzt worden. Unwillkürlich musste Sherlock an den unglücklichen Mann denken, der so verzweifelt darauf aus gewesen war, die finanzielle Zukunft seiner Familie zu sichern, dass er sozusagen auf Regieanweisung der Paradol-Kammer Selbstmord begangen hatte. Und alles nur, um Mycroft zu bewegen, nach Russland zu reisen.
Mycroft und Crowe diskutierten, was die amerikanische Regierung wohl mit Alaska machen würde, nun, da sie tatsächlich für das Land bezahlt hatte. Sherlock wandte seine Aufmerksamkeit jedoch wieder dem Abendessen zu. Stumme, schwarz gekleidete Kellner waren gerade dabei, ihnen Schalen mit Suppe zu servieren.
Crowe starrte misstrauisch auf die cremige rote Flüssigkeit vor sich. »Ist das auch wirklich für den menschlichen Verzehr gedacht?«, fragte er. »Das sieht ja aus, als wär’s aus Rinderblut und Milch zusammengemischt.«
»Das ist Borschtsch«, erwiderte Mycroft. »Russische Rote-Beete-Suppe mit eingerührter Smetana, also saurer Sahne. Ich dachte, wir sollten eine kleine Erinnerung an unsere Abenteuer mit Ihnen teilen. Unser Koch ist sehr kooperativ gewesen. Ungewöhnlich abenteuerlustig sogar. Ich war nicht sicher, ob er sich überhaupt einmal an etwas anderes als brauner Windsorsuppe versuchen könnte, aber er war begierig auf eine Herausforderung.«
»Apropos Herausforderung«, ergriff Stone das Wort. »Gibt es irgendwelche Neuigkeiten von Mr Kyte?« Seine linke Hand glitt empor und kam auf seinem rechten Arm zum Ruhen, wo ein Verband die hässliche Schnittwunde bedeckte, die Mr Kyte ihm zugefügt hatte. In seinem Ton lag eine Schärfe, die Sherlock darauf schließen ließ, dass Stone mit dem vierschrötigen rothaarigen Mann noch eine Rechnung zu begleichen hatte.
Mycroft schüttelte betrübt den Kopf. »Absolut nichts. Er scheint wie vom Erdboden verschluckt. Ich vermute mal, dass sich die Paradol-Kammer irgendwo um ihn kümmert – vorausgesetzt selbstverständlich, sie verfügen über eine verzeihende Natur.«
»Was ist mit den anderen aus Kytes Theatertruppe?«, fragte Sherlock.
»Ebenso wie Mr Kyte sind sie auch verschwunden. Vermutlich halten sie sich versteckt«, erwiderte er mit düsterem Gesicht. »Der Paradol-Kammer so nah gekommen zu sein und natürlich auch Mrs Loran, die, wie ich mittlerweile glaube, zu ihren wichtigsten Mitgliedern zählt – und ich habe es nicht durchschaut –, das ärgert mich maßlos, Sherlock. Ganz offensichtlich war mein Verstand durch die Mordanklage und die folgende, wenn auch kurze Haft getrübt. Ich hätte merken müssen, dass mit der ganzen Theatertruppe etwas nicht stimmt. Und natürlich erkennen, dass wir von Anfang an übers Ohr gehauen wurden.«
»Und Wormersley?«
»Was den anbelangt, so kann ich tatsächlich mit einer Antwort aufwarten. Aus verständlichen Gründen wird Schuwalow ihn uns nicht ausliefern. Er schmachtet in den Kerkerzellen der Dritten Abteilung. Schon irgendwie komisch, wenn man bedenkt, dass wir den ganzen weiten Weg auf uns genommen
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