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Young Sherlock Holmes 4

Young Sherlock Holmes 4

Titel: Young Sherlock Holmes 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Lane
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verbracht hatte. Und trotzdem habe ich sie nicht erkannt. Nicht
einen
von ihnen.« Er spürte, wie ihn plötzlich eine heftige Emotion durchfuhr, die seine Wangen erröten ließ – ein Gefühl, bei dem es sich um eine untrennbare Mischung aus Wut und Verlegenheit zu handeln schien. Wie sehr ihm dieser Vorfall immer noch zu schaffen machte, war ihm eben erst richtig bewusst geworden, als er darüber gesprochen hatte. »Amyus Crowe sagt immer, dass ich ein Talent dafür habe, kleine Details zu registrieren, und trotzdem haben sie mich an der Nase herumgeführt.
Mich!
«
    »Sie waren eben besser als du«, stellte Stone mit ruhiger Stimme fest. »Deswegen musst du dich nicht schämen. Ich bin nicht der beste Violinist auf der Welt. Und ich
werde
nie der beste Violinist auf der Welt sein. Aber ich bin gut, und ich werde immer besser.«
    »Ich will der Beste sein«, sagte Sherlock leise. »Ich will der beste Violinist sein, der beste Spurenleser, der beste Verkleidungskünstler. Wenn ich nicht der Beste sein kann, was hat es dann für einen Sinn, es überhaupt erst zu probieren?«
    »Du wirst das Leben als sehr enttäuschend empfinden, mein Freund.« Stone schüttelte den Kopf. »Als sehr enttäuschend, in der Tat.«
    Eine angespannte Stille senkte sich eine Weile auf das Abteil. Seine Worte anscheinend bedauernd brach Rufus Stone schließlich das Schweigen, indem er Sherlock Geschichten über seine Zeit beim Theater und bestimmte Schauspieler erzählte, die so in einer Rolle aufgehen konnten, dass sie während ihres Spieles die eigene Persönlichkeit zu vergessen schienen. »Die Sache ist«, meinte Stone schließlich, »dass, wenn du nicht selbst glaubst, ein alter Mann oder eine Frau oder ein Tramp zu sein, du dann auch nicht von anderen erwarten kannst, dass sie dir die Rolle abkaufen. Der Rolle gemäß auszusehen ist nur die Oberfläche, sie zu verkörpern ist die wahre Verwandlung.«
    »Aber wie mache ich das?«, fragte Sherlock.
    »Wenn du vorgibst, traurig zu sein, versuche, dich an etwas in deinem Leben zu erinnern, das dich zum Weinen gebracht hat. Sollst du fröhlich sein, erinnere dich an eine Situation, bei der du lachen musstest. Verkörperst du einen Bettler, rufe dir ins Gedächtnis, wie es war, als du mal hungrig und müde warst – wenn du das kannst.« Er lächelte verschmitzt. »Spielst du jemanden, der verliebt ist, stelle dir das Gesicht von jemandem vor, der dir etwas bedeutet. Auf diese Weise wird dein Gesicht automatisch die richtigen Züge und deine Gestalt die richtige Haltung annehmen, ohne dass du des Effektes wegen übertreiben musst. Oh, und mach dir immer die Unachtsamkeit der Leute zunutze.«
    Sherlock runzelte die Stirn. »Wie meinen Sie das?«
    »Ich meine damit, dass die Leute normalerweise nur das sehen, was sie zu sehen erwarten. Sie mustern nicht jede Person auf der Straße ganz genau von Kopf bis Fuß.« Er schloss einen Moment die Augen und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Wie soll ich es sagen? Es ist wie eine Theaterkulisse. Willst du das Publikum glauben machen, dass ein Stück in China spielt, brauchst du nicht Wochen damit zu verbringen, ein detailliertes Kulissenbild zu malen, das einen chinesischen Palast oder ein Dorf so realistisch darstellt, dass die Leute tatsächlich meinen, sie schauen durch ein großes Fenster auf die Realität. Nein, stattdessen zeichnest du in groben Zügen ein paar Einzelheiten, wie zum Beispiel ein geschwungenes Pagodendach oder Bambuspflanzen, und überlässt es dem Gehirn, den Rest zu ergänzen und auszufüllen. Das menschliche Gehirn ist sehr gut darin, zu entscheiden, was es bei einem flüchtigen Blick aus den Augenwinkeln auf Basis weniger markanter Dinge wahrnimmt, um dann ein Bild aus seiner Erinnerung zu kreieren, das anstelle der eigentlichen Szenerie tritt. Wenn du wie ein Bettler aussehen möchtest, dann willst du sicher nicht jedes Detail der Kleidung, der Frisur und des Gesichtes peinlich genau rekonstruieren. Das würde nur dazu führen, dass du auffällst. Konzentriere dich auf ein paar Schlüsseldetails und passe dich an den Hintergrund an. Verstehst du, was ich meine?«
    »Ich glaube schon.«
    Stone nannte noch ein paar weitere Beispiele, und sie unterhielten sich eine Weile. Doch schließlich versiegte das Gespräch allmählich, und Sherlock ertappte sich dabei, wie er aus dem Abteilfenster starrte. Städte kamen und zogen wieder vorüber, Felder huschten vorbei; und langsam begann sich die Landschaft von der akkuraten

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