Ysobel – Das Herz aus Diamant
bemerkt, dass er seinen Platz unter dem Baldachin verlassen hatte. Eine Ehrenbezeugung, die sie in eine hastige Reverenz versinken ließ, weil eine der anderen Hofdamen sie mahnend am Rock ihrer eleganten smaragdfarbenen Robe zog.
»Dame Ysobel«, der Herzog neigte sich zu ihr und zog sie an den Fingerspitzen noch oben, während er seine Stimme für die nächsten Worte anhob. »Euch und den bemerkenswerten Damen, denen die Sterne von Armor anvertraut wurden, ist es zu verdanken, dass unsere Heimat in Frieden dieses Osterfest feiern kann. Wir dürfen die Wunden des Kriegs vergessen und ein neues Leben beginnen. Und wer könnte besser den Grundstock dafür legen, als ein Paar, das aus dem ältesten und edelsten Blut unseres Landes entstammt? Erlaubt, dass ich Eure Hand an den Baron von Crozon verschenke!«
Unwillkürlich schoss Ysobel das Blut in den Kopf, und sie zerrte heftig an ihren Fingerspitzen, die indes in einem eisenharten Griff gefangen waren. O nein! Das würde sie sich nicht gefallen lassen! Nicht einmal von ihrem Herzog!
Ihr Mund öffnet sich eben zum vehementen, höchst unhöflichen und undankbaren Protest, als sich Jean de Montfort zu ihr neigte und mit leiser Stimme mahnte: »Wollt Ihr dem armen Baron nicht wenigstens einen Blick gönnen? Er ist einer meiner treuesten Diener, und ich glaube, Grund zu der Annahme zu haben, dass er Euch in Leidenschaft ergeben ist. Ihr würdet ihm das Herz brechen, wenn Ihr all die Dinge sagt, die Euch auf der spitzen Zunge liegen!«
Ehe Ysobel antworten konnte, fügte er lauter hinzu: »Tretet näher, Joseph de Comper, Baron von Crozon und Seigneur der Häfen und Ländereien, die zu diesem Lehen gehören! Tretet näher und empfangt die Hand der Dame, die Ihr mit Eurem Leben und Eurer Ehre beschützen und lieben sollt, solange Euch der Himmel behütet!«
Ysobel schwankte, die Kerzen begannen vor ihren Augen zu tanzen, und das halb neugierige, halb fröhliche Stimmengewirr um sie schlug gleich einer Welle über ihr zusammen, aus der lediglich die gedämpfte Stimme des Herzogs drang. »Wollt Ihr endlich aufhören, wie ein gefangener Vogel an Eurer Hand zu zerren, Madame? Sagt Ihr um Gottes willen, dass Ihr sie liebt, Baron! Vielleicht bringt sie das zur Besinnung.«
Ysobel spürte wie ihre Finger von einem vertrauten Griff umfangen wurden, und mit einem Male hörte das Brausen in ihren Ohren auf, und alle Dinge befanden sich wieder am richtigen Platz. Sie schluckte, suchte nach Worten, aber es wurde nur ein hilfloser Seufzer daraus, der dem Fürsten bewies, dass er ihre Nerven ein wenig zu sehr strapaziert hatte.
»Verzeiht mir den kleinen Taschenspielertrick, meine Liebe«, entschuldigte er sich fröhlich und bedachte das Paar mit einem ungezwungenen Grinsen, das ihn sehr jugendlich aussehen ließ. »Aber ich hielt es für sinnvoller, diese bedeutsame Neuigkeit in einem Rahmen zu verkünden, in dem auch der sturste Eisenschädel nicht ohne einen veritablen Skandal ablehnen kann!«
»Ich hatte nie die Absicht, dies zu tun«, hörte sie Jos trocken antworten und fühlte seinen Arm um ihre Taille. »Ihr seht mich zutiefst dankbar und überwältigt von Eurer Gnade, Sire! Ich werde nicht zögern, Dame Ysobel zu meiner Gattin zu machen.«
Von der Stärke seiner Gegenwart gestützt, entdeckte Ysobel mit einer Spur von Schadenfreude die Verwirrung in Jean de Montforts Blick.
»In der Tat? Und wieso habt Ihr bis zur Stunde jeden Versuch, Euch für Eure Treue zu belohnen, mit einer Unhöflichkeit abgeschmettert, die ein guter Vasall seinem Fürsten gegenüber nicht zeigen sollte?«, erkundigte sich der Herzog ein wenig gereizt. »Wolltet Ihr sehen, wie weit die Geduld Eures Lehnsherrn reicht?«
»Verzeiht«, entgegnete ein ungewohnt friedlicher Jos de Comper und küsste die eiskalten Finger seiner strahlenden Braut. »Es ist sicher das Osterfest, das mich so milde und gehorsam stimmt. Das Opfer des Osterlammes kann auch das härteste Herz nicht ungerührt lassen!«
Er sah Ysobel dabei an, und die liebenswerte Teufelei, die in der Tiefe seiner meeresblauen Augen tanzte, war nur für sie bestimmt. Schließlich hatte sie ihm vorgeworfen, dass er sie zum Opfer machte. Seine Gnaden der Herzog hingegen runzelte die Stirn. Er kannte seinen sturen Ritter zu gut, um nicht zu ahnen, dass es keineswegs allein seiner Überzeugungskraft zu verdanken war, dass Jos sich fügte. Im Moment wollte er sich jedoch mit der Tatsache begnügen, dass dem so war.
»Die Verzeihung sei Euch
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